Express Online: Thema der Woche | 20. März 2008

Groß verdient

Mit 76 Jahren wurde Ingeborg Mootz zur Börsenexpertin – und machte mit Aktienhandel eine Million D-Mark. Auf der Messe "Chance" in Gießen erklärte die agile, inzwischen 86-jährige Rentnerin am vergangenen Sonntag, warum man "keine Angst vor Aktien" haben braucht.

Ingeborg Mootz hat noch viel vor. Sie sitzt am Arbeitstisch in ihrer schlicht eingerichteten Wohnung, sortiert Firmenprofile, Übersichten über den Kursverlauf von Top-30-Dax-Unternehmen und sagt: "Mit meinen 86 Jahren starte ich jetzt voll durch." Schließlich habe sie einiges aufzuholen, berichtet die agile Rentnerin. Mehrere Fernsehauftritte habe sie 2007 krankheitsbedingt absagen müssen. Aber jetzt sei sie wieder voll da und sie habe einfach den Drang, sehe es als ihre Aufgabe an, ihr Wissen weiterzugeben: Das Wissen, wie auch hart arbeitende, kleine Leute ihr Geld an der Börse vermehren können. Ihre Botschaft: "Die Menschen sollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und es nicht anderen, zum Beispiel den Bankberatern, überlassen." Dafür will sie "Hilfen zur Selbsthilfe" geben. Mootz: "Wissen ist Macht. Unwissenheit ist Dummheit. Und die muss man bezahlen."

Als "Oma Goldfinger" oder "Börsen-Oma", die eine Million Mark mit Aktien gemacht hat, ist die Gießenerin bundesweit bekannt geworden, hat es auf die Bild-Titelseite gebracht, in die TV-Sendungen von Kerner und Maischberger und auch in mehrere russische Zeitungen.

Ihr Weg zur "Aktienqueen" begann eigentlich bereits Anfang der 1970er Jahre. "Du kannst ja nicht mit Geld umgehen", hatte ihr Ehemann, Prokurist von Beruf, damals Ingeborg Mootz bei einem Streit über eine Haushaltsgeld-Erhöhung vorgeworfen. Und dieses – übrigens leider heute noch genauso existierende – Vorurteil gegenüber Frauen, habe sie auf keinen Fall auf sich sitzen lassen wollen, berichtet Mootz.

Also absolvierte die Hausfrau, die einst die Volksschule besucht und keinen Beruf gelernt hat, im Alter von 48 Jahren eine dreiwöchige Ausbildung zur Vermögensberaterin – mit Erfolg. Und beriet in der Folge Ärzte und andere Akademiker. Wegen einer längeren Krankheit musste sie den Job aber wieder an den Nagel hängen.

1995 Jahre starb dann ihr Mann. Zwei Jahre habe sie gebraucht um sich zu erholen, selbst angeschlagen von der jahrelangen Pflege ihres Gatten, sagt Mootz. Dann, 1997, nahm sie die 1000 Aktien mit einem Wert von 61.000 Mark, die er ihr hinterlassen hatte und begann sich mit der Börse zu beschäftigen: "Ich hatte keine Ahnung, aber ich war neugierig!"

Die Rentnerin verkaufte die Aktien mit Gewinn, kaufte andere, verkaufte diese ebenfalls wieder mit Gewinn und so weiter. So wurden aus 1000 Aktien binnen Jahresfrist 2000 mit einem Wert von 155.000 Mark. Daraus machte sie 4350 Aktien die 304.500 Mark wert waren ...

Kurz: Heute besitzt die bescheiden in einer kleinen Wohnung in einem älteren Mehrfamilienhaus in Gießen lebende 86-Jährige, die einen 19 Jahre alten Opel Kadett fährt, Aktien, die eine gute halbe Million Euro wert sind.

Das Geld interessiert mich eigentlich dabei gar nicht, sondern die Beschäftigung mit den Zahlen", sagt Mootz. Zum Leben reiche ihr die 1115 Euro-Rente völlig, die sie monatlich erhalte.

Ihr Erfolgsrezept klingt einfach: Aktien auf dem Tiefstand kaufen und beim Höchststand verkaufen, dazu den Kursverlauf über drei bis fünf Jahre betrachten. Nur solide Werte von großen Firmen kaufen. Mit Geduld und vor allem ohne Angst an der Börse handeln, nicht auf das schnelle Geld schielen.

Wie das genau geht, beschreibt sie leicht verständlich auf 82 Seiten in ihrem "Börsenkrimi". Ein Buch, das Mootz im Copy-Shop nahe ihrer Wohnung in Kleinauflagen drucken lässt und gegen 32,50 Euro inklusive Porto versendet. Wie viele Abnehmer sie bisher dafür gefunden hat, sagt sie nicht, aber es müssen nicht wenige sein. Schließlich klingelt immer wieder am Tag ihr Telefon, weil Leser Fragen zu ihren Börsentipps haben. Die gibt die alte Dame mit großem Engagement und dem unmissverständlichen Hinweis: "Kontrollieren Sie alles genau nach, was ich ihnen gesagt habe. Das ist ganz wichtig. Ich kann nur Tipps geben, aber denken müssen Sie schon selbst."

Das sei eben ihre Aufgabe, die Menschenzum Mitdenken und zur Selbständigkeit anzuleiten. Mootz: "Da gibt es dieses wunderbare Wort 'warum': Man darf keine Scheuklappen haben und muss alles, was man macht, hinterfragen."

Georg Kronenberg

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