Express: Sie veröffentlichen Geheimnisse des US-Militärs. Gehört sich so etwas für einen "aufrechten" US-Bürger?
Trevor Paglen: Ich fing mit diesen Arbeiten an, weil ich es mich wütend machte, was die Vereinigten Staaten unter dem Deckmantel des "Kriegs gegen den Terror" machen. Mir geht es in meiner Kunst um das Verhältnis von Epistemologie und Demokratie: Wie können wir eine demokratische Gesellschaft sein, wenn große Teile des Staates vor seinen Bürgern völlig geheim gehalten werden? Meine Fotos neigen dazu, verschwommen oder auf andere Weise undeutlich zu sein. Sie drehen sich eher um ein "Nicht-Wissen" als um ein "Enthüllen". Ich sehe meine künstlerische Arbeit als so etwas, wie "die Welt durch Tränen hindurch zu betrachten", um die Worte eines befreundeten Menschenrechtsaktivisten zu gebrauchen.
Express: Wie erfahren Sie von geheimen Militärbasen, etc?
Trevor Paglen: Für diese Projekte stelle ich jede Menge eigene Nachforschungen an und arbeite auch oft mit Enthüllungsjournalisten, Universitätsleuten und spezialisierten Amateur-Gruppen (wie Flugzeug-Beobachtern, Astronomen etc.) zusammen.
Express: Was halten denn die US-Regierung und das Militär von Ihrer Arbeit? Finden sie das gut?Sind sieinverstanden mit dem, was Sie tun?
Trevor Paglen: Manche sind es, manche nicht.Ich bin schon mehrmals beschuldigt worden, ein "Verräter" zu sein. Aber ich habe auch viele "Fans" in Militär- und Geheimdienstkreisen. Viele Leute im Militär und in anderen staatlichen Institutionen sehen die US-Politik und ihre Maßnahmen, die ich in meinen Arbeiten erforsche, ebenfalls sehr kritisch. Mehrere meiner Bücher wurden in militärischen Zeitschriften und Magazinen besprochen und empfohlen.
Express: Betrachten Sie sich als Geograph oder als Künstler? Was wollen Sie mit Ihrer künstlerischen Arbeit erreichen?
Trevor Paglen: Ich betrachte mich in erster Linie als Künstler und bin schon in einem sehr jungen Alter Künstler geworden. Nach Abschluss der Kunstakademie studierte ich Geographie, weil ich meine Fähigkeiten in der kritischen und praktischen Forschungsarbeit verbessern wollte, wenngleich ich weiterhin in durch Fachleute überprüften akademischen Zeitschriften veröffentliche. Für mich dient Kunst dazu, uns dabei zu helfen, zu erkennen, wer wir heute sind.
Express: In einer Besprechung in der New York Times hieß es, Sie seien "von der Ausbildung her ein Geograph und vom Instinkt her ein Verschwörungstheoretiker." Glauben Sie an Verschwörungstheorien?
Trevor Paglen: Wenn mit "Verschwörungstheorien" Dinge gemeint sind, wie die, dass die USA 9/11 selbst inszeniert haben (eine in Amerika und der ganzen Welt weit verbreitete Theorie), dann lautet die Antwort, "nein". Viele Leute glauben, dass Geheimdienstorganisationen oder verdeckt agierende Militäreinheiten "sehr mächtig" und "allwissend" seien. Nichts könnte falscher sein. Ihre Arbeit zeichnet sich ebenso durch Unfähigkeit, Fehler und Schlampigkeit aus wie die jeder anderen Organisation.
Express: Welches ist das größte Geheimnis, von dessen Entdeckung Sie träumen?
Trevor Paglen: Ich glaube, dass die geheimsten Informationen technischer Natur sind. Ich denke nicht, dass es irgendwo sehr viele geheime Geschichten gibt, die unser Verständnis der Welt grundlegend ändern würden. Momentan arbeite ich an einem bescheideneren Geheimnis, dem Versuch, einen geheimen "Raumgleiter", den die Air Force vor ein paar Wochen in Betrieb genommen hat, aufzuspüren.
Interview: Georg Kronenberg
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