Express Online: Thema der Woche | 29. September 2011

"Die Kurven machen Spaß"

Streetsurfer erobern die Schulen

Sarah Kuhn findet das Waveboard geradezu verzaubernd: "Das zieht einen ziemlich in den Bann", sagt die Lehrerin, die das Streetsurfen vor einem Jahr gelernt hat. Mit Kennerblick schaut sie den 20 Grundschülern in der Biedenkopfer Sporthalle zu, von denen viele zum ersten Mal auf dem kippeligen Brett stehen. Karla zum Beispiel hat ein bisschen Angst vor dem neuen Sportgerät. Doch schon nach einer halben Stunde schafft sie es, drei Meter weit zu surfen.

Für die Erwachsenen ist es sehr schwer. Die Kinder lernen es spielend", weiß Sportwissenschaftlerin Nina Xourgias aus Gießen. Seit zwei Jahren bereist sie die Schulen Hessens, wo sie Waveboard-Workshops für Lehrer und Schüler gibt. "Man erreicht eine sehr gute Körperspannung", sagt die Expertin: "Nach dem Sport mit dem Waveboard ist die Körperhaltung bei vielen Kindern deutlich aufrechter und lockerer." Auch die Konzentration werde gefördert. Den Biedenkopfer Schulsportleiter Kalle Debus hat sie bereits überzeugt. Schon dreimal hat er sich die Waveboards für seine Klassen ausgeborgt: "Das ist eine wahnsinnig gute koordinative Übung für Kinder", sagt der Sportlehrer. Selbst die Abiturienten hätten noch Spaß daran.

Nina Xourgias demonstriert, worauf es beim Surfen ankommt: Die Füße müssen ganz gerade und fest auf dem mit einer Torsionsstange verbundenen Wellenbrett stehen, das nur zwei, sehr bewegliche Rollen hat. Die Kurven kommen durch geschicktes Verlagern der Körperschwerpunkte und durch Drehungen in der Hüfte zustande – Xourgias nennt es Twisten. "Die Füße sind wie gefroren oder in Gips", erklärt die 29-Jährige. Sonst kippt das Brett.

Nach ersten Versuchen zu zweit dürfen die Kinder auch allein fahren. "Ich finde es cool", sagt der neunjährige Beny, während er langsam eine Runde dreht. Jetzt zeigt sich, wer schon einmal auf dem Waveboard stand. Der zehnjährige Koray saust in weiten und engen Kurven durch die Sporthalle. Fast jeden Tag trifft er sich mit seinen Freunden auf der Straße, um über den Asphalt zu kurven. "Als ich es bekommen habe, bin ich zwei Tage lang dauernd hingeflogen", erzählt der Viertklässler: "Dann konnte ich es." Wie seine Klassenkameradin Aleyna fährt er schon seit zwei Jahren: "Die Kurven machen Spaß", sagt die Zehnjährige.

Lehrer Michael Werner findet das Surfen noch etwas ungewohnt: "Das ist ein ganz anderer Bewegungsablauf", sagt der Pädagoge. Er würde das Waveboard gerne für die Bewegungsstunden in der Grundschule nutzen. Denn die Schüler sind schnell von dem Trendsportgerät begeistert, das es erst seit sieben Jahren in den USA und seit vier Jahren in Deutschland gibt. "Bislang sind Fahrrad, Inliner und Skateboard noch stärker", sagt Michael Werner. Doch die Zahl der Streetsurfer nimmt ständig zu. In Kassel-Kaufungen gibt es bereits den ersten Waveboard-Hockeyverein.

Die Grund- und Hauptschule Breidenbach im Marburger Hinterland gehört zu den wenigen Schulen, die schon 20 eigene Boards haben. Der Förderverein hat sie gesponsert. Dort drehen die Schüler aber nicht einfach ihre Runden. Die Klassen bauen ganze Parcours zum Umkurven und spielen Fangen auf dem Wellenbrett. Manche können damit sogar Basketball spielen oder jonglieren, erzählt Lehrerin Kuhn: "Die Kinder kommen ja mit den Boards überall hin – auch bergauf, bergab und über Bordsteine", staunt sie. Einige können sogar Tricks. Den Olli zum Beispiel: ein Sprung, mit dem sich kleine Hindernisse überwinden lassen. Noch schwieriger ist der Kickflip: Dabei wird das Brett einmal in der Luft gewendet.

Snowboard auf Asphalt

Streetsurfen oder Waveboarden ist eine Mischung aus Skateboardfahren, Surfen und Snowboarden. Dabei wird das Fahrverhalten eines Snowboards auf Asphalt nachgeahmt. Das Waveboard ist einspurig und hat zwei Rollen. Es besteht aus zwei beweglichen Fußplatten aus Hartplastik. Sie sind durch eine kurze, gefederte Torsionsstange verbunden. Besonders beliebt ist das Sportgerät bei Kindern und Jugendlichen zwischen acht und 14 Jahren. Geeignet ist es für Kinder ab acht Jahren. Gefahren werden kann auf gut geteertem Boden. Typisch sind schnelle Geradeausfahrten, weite Bögen und enge Schwenks. Bei Nässe sollte nicht gefahren werden. Rückwärts fahren ist nicht möglich.

Waveboards sind ungefährlicher als Skateboards. Wer das Waveboard nicht beherrscht, kann gar nicht erst losfahren. Schutzkleidung ist nicht vorgeschrieben, wird aber empfohlen. Sie besteht aus Helm, Knie-, Ellbogen- und Handgelenksschützern. Auf keinen Fall darf barfuß, mit Flipflops oder Sandalen gefahren werden. Halfpipes können auch von Waveboardern genutzt werden. Neuerdings gibt es sogar Streetsurfing-Rampen – bislang aber noch nicht fest installiert.

Waveboard-Workshops für Lehrer und Übungsleiter werden unter anderem über Schulämter und den Landessportbund angeboten.

Gesa Coordes

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