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Express Online: Thema der Woche
Express Online: Thema der Woche | 2. September 2010

Neues aus Nakuru

Das Malaika-Waisenheim zieht um. Die Spendengelder vom Marburger Stadtfest "3TM" 2010 helfen dabei mit. Ein Bericht aus Kenia von Geert Schroeder

Langsam wird das knatternde Geräusch immer lauter. Gespannt schauen die Kinder des Malaika-Waisenheims in der kenianischen Stadt Nakuru zum großen rostig-roten Grundstückstor. "Ist das endlich der Umzugs-Lkw?", fragen auch wir uns. Wir, das sind Mitglieder des Marburger "Malaika-Vereins", der sich seit einigen Jahren in Ostafrika mit einer einheimischen Selbsthilfegruppe für Kinder, die ihre Eltern an AIDS verloren haben, engagiert. Wir geben diesen perspektivelosen Kindern durch das Projekt eine Lebensperspektive und schützen sie vor einem Leben auf der Straße mit Kriminalität, Hunger, Drogen oder Prostitution.

Gespannt sind unsere Blicke nun auf das Eisentor gerichtet. Um uns herum warten all unsere Möbelstücke, Betten, Koffer, Kisten und sogar der Kaninchenstall darauf, endlich abgeholt zu werden.

Schon seit den kühlen Morgenstunden sind wir auf den Beinen und haben das Hab und Gut auf den Hof gebracht. Und wir haben uns – fälschlicherweise – darauf verlassen, dass der LKW pünktlich kommt. Doch nun warten wir schon seit Stunden im relativ kühlen Schatten der Akazienbäume, denn die Äquatorsonne brennt heute erbarmungslos. "Die Uhren ticken in Afrika eben häufig anders", sage ich mir und muss damit wieder ein Phänomen akzeptieren, an das ich mich selbst beim zehnten Aufenthalt in Kenia erst wieder gewöhnen muss.

Doch warum bin ich eigentlich so ungeduldig? Ich sollte mich freuen, dass der Fahrer überhaupt zugesagt hat, uns zu helfen und darüber hinaus sogar angeboten hat, unser ganzes Zeug kostenfrei zum neuen Grundstück des Malaika-Projektes zu transportieren.

Tatsächlich! Das mittlerweile nicht mehr zu überhörende Knattern gehört zu dem lang ersehnten LKW, dessen Anblick uns nun aus dem schattigen Versteck hervorholt. Endlich kann der Umzug beginnen. Wir freuen uns, wobei wir auch ein wenig traurig sind, das alte Grundstück verlassen zu müssen.

Ich hänge meinen Gedanken nach: Wie war das Landhaus verfallen, als wir es 2008 für einen sympathischen Mietsatz übernehmen konnten. Fast zehn Jahre hatte es zuvor leergestanden. Der große Garten war verwildert, das Dach teilweise kaputt, und in manchen Zimmern wateten wir – da gerade Regenzeit war – somit durch Wasserpfützen. Der Besitzer war einverstanden, dass wir das Haus selbst renovieren und so lange keine Miete zu zahlen haben, bis der Betrag für die Ausbesserungen erreicht war. Alle packten nun mit an, um das Heim wohnlich zu gestalten. So, wie wir später das Leben von kleinen Waisenkindern "renovieren" wollten, musste also zunächst die Herberge in Ordnung gebracht werden.

Wir fühlten uns hier von der ersten Sekunde an sehr wohl. Ich empfand das Haus als eine Art Villa Kunterbunt – wie Pipi Langstrumpfs Haus, geradezu wie für Kinder geschaffen! Dann kamen die ersten Kleinen, die uns von den Behörden übergeben wurden. Traumatisiert, denn sie hatten Schlimmes durchgemacht.

Es zeigte sich schnell, dass unsere Partner gute Arbeit leisten. Wie sonst wäre es zu erklären gewesen, dass sie innerhalb kürzester Zeit apathische kleine Wesen in Kinder verwandeln, die – wie man sich das nur wünschen kann – umhertoben, lachen, malen, quietschen und eine bunte und spannende Welt für sich entdecken. "Malaika" – das Wort ist Kisuaheli und bedeutet Engel. Wir haben den Titel bewusst gewählt. Für uns sind die Kleinen "unsere Engel" – das Zentrum unseres Engagements.

Nun sind wir im August 2010 gewissermaßen zum Umzug gezwungen. Denn unser Vermieter hat den Zweijahres-Vertrag nicht verlängern wollen. Haben wir das Heim etwa zu liebevoll hergerichtet, so dass es dem Besitzer jetzt so gefällt, dass er es selbst gern bewohnen will?

Alles Nachdenken und Trauern hilft nicht. Der Weg zu unserem neuen Domizil, das dem alten übrigens in nichts nachsteht, ist nicht weit. Mit Geschick beladen unsere befreundeten Helfer, die Mitarbeiter und sogar einige Kinder in Windeseile den rostigen grünen Lkw. Rekordverdächtig. Denn jeder Kubikzentimeter der Ladefläche des alten Gefährts, dem der deutsche TÜV sicher schon beim bloßen Anblick eine Straßenverkehrszulassung verweigert hätte, wird genutzt. Es stapelt sich alles auf engstem Raum.

Und dann geht's bzw. rollt es los. Im Schneckentempo ruckelt der Toyota-Truck auf den Feldweg, der nach 500 Metern zum neuen Malaika-Haus führt. Die halsbrecherische Fahrt dauert fast acht Minuten. Wir sind da – eine neue Projektphase beginnt!

Noch am selben Abend – die Kinder sind schon längst im Bett – sitzen wir in gemütlicher Runde mit den Mitarbeitern. Ich finde endlich Zeit, ihnen von den letzten Vereins-Aktivitäten in Deutschland zu berichten, wobei das diesjährige Marburger Stadtfest "3TM" in dem Zusammenhang eine ganz herausgehobene Bedeutung hat, da die überwältigende Spendenbereitschaft der Benefiz-Konzertbesucher im Zuge des Klassik-Konzerts am Freitagabend und des Abschlusskonzertes am Sonntagabend zu einer kaum für möglich gehaltenen Summe führten.

Das ist ja ... phantastisch." Der Heimleiter Kago ist fast sprachlos und gibt seine Gefühle nahezu im Flüsterton preis. "Dann sollten wir weitere Kinder aufnehmen, oder?" fragt er zurückhaltend. Das neue Malaika-Haus hat zwei Zimmer mehr als das von uns zuletzt bewohnte. Wir haben uns darauf geeinigt, diesen Platz zu nutzen und schon bald drei weitere Kinder im Alter zwischen zwei und fünf Jahren aufzunehmen – "3 Tolle Menschen" – "3TM".

Spendenkonto: Malaika Verein, Kto: 6002 984 100, BLZ: 430 60 967, GLS Gemeinschaftsbank

Geert Schroeder

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