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Thema der Woche | 23. Juli 2015

Scheitern erlaubt

Theatermacher Rolf Michenfelder und Anna Krauß über die Suche nach dem gelungen Moment – Foto: Kronenberg

Was ist für Euch ein gelungener Moment?

Rolf Michenfelder: Ein gelungener Moment ist ein Moment, mit dem man nicht rechnet, glaube ich. Sondern der ungeplant entsteht. Deshalb ist auch nicht nur das Ergebnis das Gelungene. Am gelungensten wird es dann, wenn man es nicht vorgehabt hat.

Sind das Momente die im Privaten, im Beruf, die überall entstehen können?

Anna Krauß: Ich glaube, die können immer entstehen, in jeder Situation. Dass man einfach merkt, irgendwas passt hier gerade, irgendwas stimmt.

Und die versucht Ihr einzufangen ...

Michenfelder: Wir machen den Versuch, in dem Häuschen gelungene Momente herzustellen. Ohne zu wissen, dass es gelingt. Die Leute können sich mit den verschiedensten Themen beschäftigen.
Beispielsweise wenn Matti und ich für 26 Stunden drin sind, versuchen wir durch die Beschäftigung mit bestimmten Themen gelungene Momente zu finden. Ob das gelingt, wissen wir nicht. Das ist ja nicht geprobt. Vielleicht scheitern wir auch immer wieder.

Krauß: Erstmal wollen wir mit dem Projekt einen Rahmen schaffen, in dem Dinge stattfinden können. Wir hoffen, dass etwas Gelungenes dabei ist. Aber wir haben uns bewusst dagegen entschieden, hier ein Archiv der gelungenen Momente präsentieren zu wollen, bei dem Leute von ihren tollen Momenten erzählen. Die Momente sollen gegenwärtig stattfinden und alle sind beim Entstehen dabei.

Michenfelder: Nehmen wir zum Beispiel einen Gitarristen, der kommt und sagt, "diese drei Lieder, die übe ich seit zehn Jahren, die kann ich ganz toll". Das mag für ihn gelungen sein. Spannender wäre aber, wenn er sagt: "Und dann dann habe ich hier einen Song, an dem arbeite ich seit einem halben Jahr. Der funktioniert aber noch nicht richtig." Und dann sucht er hier im Häuschen mit Hingabe nach dem Moment.

Wie ist die Idee zu dem Projekt entstanden?

Michenfelder: Eigentlich beim Scheitern. Ich habe mit Matti Fischer angefangen, an einem Bühnenstück zu arbeiten. Wir hatten die Idee, dass jeder Zuschauer, jede Zuschauerin einen gelungenen Moment an dem Abend erleben soll. Daran sind wir gescheitert, weil wir gar nicht die Zeit hatten, das so lange einzuproben.
Deshalb haben wir gesagt, "lass uns doch mal umdenken", und langsam wuchs die Idee, man muss eine Bretterbude zimmern, in denen man an den Momenten arbeitet
Das Bauen an der Hütte soll ja auch schon Programm sein.

Was habt Ihr unter anderem im Programm?

Krauß: Donnerstag um 16 Uhr geht es los mit Carlos Franke aus Gießen, der etwas zu John Cage macht. Er übersetzt einen Vortrag von Cage, der sich um Kommunikation dreht, der bisher noch nicht übertragen wurde.

Michenfelder: Matti und ich sind um 20 Uhr dran bis Freitagnacht, 26, 27 Stunden durchgängig. Jeder darf natürlich drei Stunden mal schlafen.

Krauß: Freitagnacht ist Kopfhörerparty mit Musik geplant. Samstagmorgen gibt es die Kleingartenausstellung. Angela Harter stellt 16 Bilder von Kleingärten aus, die immer aus der gleichen Perspektive in verschiedenen Jahreszeiten aufgenommen wurden, so dass man sieht, wie sich Gärten verändern.

Michenfelder: Kleingärten sind ja auch ein Monument von "genau so muss es sein".

Krauß: Wir erwarten am Samstag ein Brautpaar. Das Paar ist von Pfarrer Uli Biskamp schon vorbereitet worden und wir hoffen, dass sie nach der Kirche hier in die Hütte einziehen.
Nachmittags sind Lesungen geplant. Es gibt ein Dominospiel: Wenn der erste Stein fällt und alle anderen fallen mit, – "genau so muss es sein". Samstagabend will Kajetan Skurski "das beste Essen der Welt" kochen, das ist sein Anreiz.

Michenfelder: Am Sonntagmorgen zieht eine WG ein. Die nehmen alles, was sie brauchen, aus ihrer Wohnung am Marktplatz und richten sich hier ein. Der Versuch ist, dass sie es sich hier so gemütlich machen, dass die ganze WG sagt, "genau so muss es sein".

156 Stunden
Das neue Projekt vom german stage service "Genau so muss es sein", bei dem mehrere Theaterwissenschaftler aus Gießen mitwirken, begibt sich 156 Stunden gemeinsam mit den Besuchern / Zuschauern auf die Suche nach gelungenen Momenten. Die Projektschaffenden beschäftigen sich mit der Frage, ab wann ein Moment als geglückt oder gelungen bezeichnet werden kann. Verlangt er bestimmte Voraussetzungen, Zutaten, Umstände? Handelt es sich um Zufall oder unterliegt dieser eine Moment einem Regelwerk?
Über mehrere Tage hinweg ist auf dem lutherischen Pfarrhof in der Oberstadt ein Holzhaus gezimmert worden. Im fertigen Haus wird sich von Donnerstagabend bis Sonntagnacht mit der Frage nach einem gelungenen Moment spielerisch auseinandergesetzt, mit Performances, Lesungen und verschiedensten Aktionen.
Wer sich spontan noch einbringen und auf die Suche nach einen gelungenen Moment machen will, ist von den Theatermachern herzlich eingeladen.
Bis zum 27. Juli auf dem Lutherischen Kirchhof

Interview: kro/Amina Hartmann

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