Express Online: Editorial | 13. Januar 2005

Überbordende Bordsteine

Zusehends füllen sich unsere Gehwege. Nicht nur jahreszeitlich bedingt, weil die weihnachtlichen Altlasten in Form abgenadelter Weihnachtsbäume, nun jeden Schmuckes entblößt, ihrer Abholung durch die Stadtwerke harren. Nein, neben dieser vorübergehenden Begrünung des Straßenrandes sticht eine andere Spezies von Bürgersteignutzern seit Jahresanfang ins Auge. (Hier sei ein kleiner Einschub gestattet: Der Autor ist sich der Problematik seiner Wortwahl bewusst – wird doch aus der Perspektive einzelner feministischer Gruppen der "Bürgersteig" offensiv als Bürgerinnen- und Bürgersteig bzw. als BürgerInnensteig propagiert.)

Junge Menschen nämlich bevölkern zu Stoßzeiten rauchenderweise die Fahrbahnränder, weil seit 1.1. der Tabakkonsum (ausgenommen vermutlich Schnupf- und Kautabak) an hessischen Schulen per Gesetz untersagt ist. Sogar eigens zu diesem Zweck gebaute Raucherpavillons verwaisen, während sich die Schülerinnen und Schüler – in trauter Eintracht mit manchem solidarischen Lehrkörper – in den großen Pausen den knappen Platz auf den Trottoirs mit Fichten und Nordmanntannen teilen müssen.

Es braucht also niemanden im hessischen Kultusministerium verwundern, wenn die in diesen Tagen vollendete Abräumung der Bäume den Blick erst freimacht auf bald gänzlich zugeaschte Bürgersteige, auf ein Meer von Kippen mit nadlig-grünen Einsprengseln, durch das die Passanten fortan waten müssen. Zumindest bis zur nächsten Gesetzes-Inspiration, dem Rauchverbot auf Gehwegen.

Daniel Hajdarovic



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