Express Online: Editorial | 3. Februar 2005

Vaupel macht's

Der künftige Oberbürgermeister der Universitätsstadt Marburg steht fest: Egon Vaupel, der Sozialdemokrat, der diese Bezeichnung in einem höheren Maße verdient als viele seiner Genossen – nicht zuletzt jene in Berlin. Zwar kann auch ein künftiges Stadtoberhaupt Vaupel die Stadt beispielsweise nicht zur Hartz IV-freien Zone erklären (oder die Wiesbadener Kürzungsorgien der "Operation Sichere Zukunft" ungeschehen machen), aber dass er gegenüber den Härten für jene, die ziemlich weit unten stehen, nicht ignorant ist, lässt ein wenig hoffen. Nicht zuletzt an der Sozialpolitik wird er sich messen lassen müssen.

Trotz zum Teil abweichender Positionen zum offiziellen SPD-Kurs hat sich Vaupel allerdings im Wahlkampf nicht dadurch lächerlich gemacht, dass er – wie bei anderen Spezialdemokraten schon geschehen – seine Parteizugehörigkeit quasi verleugnet hätte. Viele der Marburgerinnen und Marburger, die ihm am Sonntag 52,5 Prozent der Stimmen gegeben haben, dürften ohnehin jenseits des Lagerdenkens entschieden und mit dem amtierenden Bürgmermeister einen in der Magistratsarbeit bereits routinierten Kandidaten gewählt haben, der zudem mit dem Bonus hoher Bekannt- und Beliebtheit in die Wahl gegangen ist. Das ist auch der Sinn einer Direktwahl: die Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit eine Person zu wählen, keinen Parteisoldaten.

Daniel Hajdarovic


Express Online: Editorial | 3. Februar 2005

Einschillsteiner-Jahr

Albert Einstein und Charlie Chaplin treffen in New York aufeinander. Sagt der Physiker zum Schauspieler: Sie sind berühmt für ihre Kunst, die auf der ganzen Welt verstanden wird. Chaplins Antwort: Sie sind auch berühmt – obwohl kaum jemand auf der ganzen Welt ihre Physik versteht. Eine hübsche Anekdote, die journalistisch passgenauer wäre, wenn es sich um ein Gespräch zwischen Einstein und Schiller (beide haben momentan "ihr" Jahr) gehandelt hätte. Nicht möglich wegen differierender Lebensdaten? Ach was, seit Einstein wissen wir doch um die Relativität des Zeitbegriffes. Aber wissen wir wirklich? Sicherlich können naturwissenschaftlich ausgerichtete Hirne mittlerweile die Quantennatur des Lichts herbeten. Aber vielleicht ist ihnen das Schillersche Freiheits-Pathos ein Buch mit sieben Siegeln.

Und erst umgekehrt: Wer sich kulturwissenschaftlich eingeigelt hat, kann vielleicht die ersten Zeilen der Glocke hersagen, versteht aber von der Einsteinschen Physik nicht mehr als Chaplin. Wenn das Einstein-Jahr 2005 (50. Todestag und 100 Jahre Relativitätstheorie) und das Schiller-Jahr 2005 (200. Todestag) Früchte tragen sollen, gelänge dies wohl am ehesten über eine Vermischung der Kulturen. Das Stadttheater, das Schillers "Don Carlos" im Programm hat (wir berichteten), macht dann aus der physikalischen Theorie ein Tanztheater und die Physiker, die ihre Reihe "Physik im Blick" Einstein gewidmet haben (siehe physik.uni-giessen.de/pib), schicken den Wallenstein durch den Teilchen-Beschleuniger. Nur so als erste Anregung ...

Daniel Hajdarovic



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