Express Online: Editorial | 16. Juni 2005

g-spannt

Das g-werk, unser neues "Zentrum für Kunst, Kultur und Kommunikation" ist im fröhlichen Drei-Tage-Marathon eingeweiht und von german stage service, Trauma, VIPs und vielen neugierigen Besuchern in Betrieb genommen worden. Nach dreijähriger Bau- und Planungsphase, nach Hoffen und Bangen um die pünktliche, fachgerechte Fertigstellung steht es wirklich da. Ob hier nun "Plan A" oder "Plan K", "L", oder auch "M" vom Stapel lief, trübte kaum noch die euphorische Stimmung der Eröffnung. Dass es nämlich überhaupt steht, ist schon ein mittelgroßes Wunder, denn Spannungen gab es von Anfang an. Um die politische Durchsetzung, die Finanzierung, um technische bzw. architektonische Details.

Eines dieser Details war das Betonfundament des Theaterneubaus. Es war zehn Zentimeter zu schmal für das bereits vorgefertigte Stahlgerippe, so dass die Träger nach unten hin leicht gezwängt werden mußten ... Ist das Gebäude nun unten zehn Zentimeter schmaler als oben? Bleibt eventuell eine leichte statische Spannung zurück? Wird diese quasi auf metaphysischem Wege die "energetischen kulturellen Impulse" beflügeln, mit denen das g-werk die Stadt versorgen will?

Als Zuschauer kann man darauf und auf die Vielseitigkeit des neuen Kulturbausteins ganz entspannt gespannt sein. Egal, was war, jetzt ist endlich – zumindest dort – wieder die Kultur am Ruder, jetzt ist es unser g-werk.

Ulrike Rohde


Express Online: Editorial | 16. Juni 2005

Untergrund Kultur

Die Trends des Mainstream haben meist einen langen Weg hinter sich. Erst ihr Herausdringen aus den Clubs, Proberäumen und Ateliers spezieller Szenen konnten Mod, Punk oder Grunge zu dem machen, was heute einer Mehrheit bekannt ist. Ihre Durchschlagskraft schöpfen diese subkulturellen Bewegungen aus dem Identität stiftenden Aspekt urbaner Positionierung. Somit ästhetisierte Lebensbedingungen haben ergo viel stärkeren Einfluss auf die eigene Biographie als etwa der abonnierte Opernbesuch auf den bürgerlichen Alltag.

Jener so etablierte interaktive Umgang mit den Artefakten von Popkultur hat ein Medium wie das Internet geradezu vorbereitet. Für den zusätzlich ethnischen Brückenschlag in einem Viertel wie der Gießener Nordstadt mit über 30 ansässigen Nationalitäten macht eine Veranstaltung wie das Eigenart-Festival also doppelt Sinn, fungiert hier Kultur doch als kreativer Untergrund gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Dass aus solchen Plattformen immer schon die Impulse nach oben, in den Mainstream ernster wie trivialer Unterhaltungsindustrie gefunkt wurden, ist evident. Auch wenn in den gesetzten Etagen der Staatstheater, Fernsehanstalten und Plattenfirmen vergangene Trends erfolgreich absorbiert wurden, für neue braucht es weiterhin Beachtung und Förderung der Ursprünge.

Rüdiger Oberschür



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