Express Online: Thema der Woche | 4. August 2005

Blick nach vorn

Statt über den Zuschauerrückgang zu jammern, hat das Licher Traumstern eine erfolgreiche Solidaritäts-Aktion gestartet – um mit eigener Kraft die Krise in der Kinobranche durchzustehen

Auf dem selbst gebastelte Zählwerk im Foyer des Licher Kinos Traumstern ist die Zahl 300 inzwischen längst überschritten. "Mit dem Ergebnis sind wir zufrieden", berichtet Christoph Wüstenhagen, vom Traumstern-Kollektiv, das das ambitionierte Programmkino in Lich führt.

Um mit eigener Kraft aus der seit Jahresbeginn andauernden Krise der ganzen Kinobranche raus zu kommen, hat das Kino eine Solidaritäts-Aktion gestartet: Ehrgeiziges Ziel ist es, innerhalb von drei Monaten tausend Zehnerkarten a 50 Euro unter die Leute zu bringen. Über 300 verkaufte Karten sind zwar nicht der benötigte Monats-Schnitt, aber aus Sicht von Wüstenhagen ein guter Start: Umso wichtiger, seien doch die Besucherzahlen seit Jahresbeginn "dramatisch" um etwa 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Die allgemeine Kinokrise träfe gerade kleinere, unabhängige Lichtspielhäuser besonders. Da hilft es denn auch wenig, dass das alternative Programmkino im Kreis Gießen in den 22 Jahren seines Bestehens über 60 Bundes- Landes- sowie regionale Kinopreise gewonnen hat. Und das schmucken 14000-Einwohner-Fachwerkstädtchen Lich nicht zuletzt wegen des kleinen Kinos mit 192 Sitzen überregional bekannt ist.

Schließlich ist das Programm in dem nicht nur kommerziell ausgerichteten Kulturbetrieb Traumstern längst nicht nur auf die Filmkunst beschränkt. "Wir sind immer auf der Suche nach neuen Veranstaltungsformen", sagt etwa Hans Gsänger, vom Traumstern-Kollektiv. Ein Beispiel dafür ist die Reihe "Artist's View", bei der namhafte Musiker ein Konzert im Kino geben und anschließend ihren Lieblingsfilm vorstellen. In Lich haben sich dabei schon so international renommierte Musiker wie Albert Mangelsdorff, die Jazzerin Barbara Dennerlein oder Marcus Stockhausen die Klinke in die Hand gegeben. Der Einzugsbereich des Filmtheaters, das Anfang der 80er Jahre gegründet worden war, um der "kulturellen Austrocknung" in der Provinz entgegenzuwirken reicht bei dererlei Veranstaltung denn auch bis ins Rhein-Main-Gebiet.

Dabei seien die Besucherzahlen bei Live-Veranstaltungen eigentlich immer noch gut, "aber das ist nicht der Bereich von dem wir leben können", sagt Wüstenhagen. Was das Programmkino in der allgemeine Branchekrise aber etwa gegenüber großen, kommerziellen Kinos auszeichne, sei das intensive Verhältnis zum Publikum. Das zeige auch der gute Anklang der Solidaritätsaktion.

Statt zu jammern blicke er auch lieber nach vorne, sagt Hans Gsänger. "Unser Publikum geht ja auch davon aus, dass es noch jede Menge gute Filme zu sehen geben wird. Sonst hätten die Leute diese Investition nicht getätigt."

Georg Kronenberg



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