Express Online: Editorial | 26. Januar 2006

Lieblinge

Was für ein Jahresanfang für unsere schwarz-rote Bundesregierung. Deutschlands erste Kanzlerin Angela Merkel feiert Popularitätsrekorde: 85 Prozent der Deutschen wünschen sich laut einer Umfrage für den Spiegel, dass Merkel künftig "eine wichtige Rolle" in der Politik spielt. Auch SPD-Chef Matthias Platzeck kommt mit 72 Prozent prima weg. Und die vielzitierte soziale Kälte wurde kurzerhand vom eisigen Russlandhoch "Claus" mit Rekordminusgraden weggefegt – zumindest was das öffentliche Lamentieren angeht.

Denn es bleibt abzuwarten, wie lange der deutsche Michel seinen Spitzenpolitikern diesen fulminanten Vertrauensvorschuss noch gewährt. Die unverhofften Sympathiebekundungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass weitere tiefe Einschnitte das soziale Netz noch durchlässiger machen werden. "Die Mehrheit der Bevölkerung wartet zurzeit erstmal ab", schätzt Dokumentarfilmer Martin Kessler die gesellschaftliche Situation ein. über ein Jahr lang hat der Regisseur für seinen Dokumentation "Neue Wut" (siehe Interview in unserer Print-Ausgabe) Hartz-IV-Betroffene begleitet. Eine Wut, die weiter schwelt.

Spätestens wenn die Diskussion über die nächsten Grausamkeiten die schwarz-rote Koalition entzweit, werden die historischen Sympathiewerte für Merkel & Co. wohl wieder auf ein realistisches Maß zurechtgestutzt. Warten wir doch beispielsweise einfach mal die Mehrwertsteuererhöhung ab.

Michael Arlt
Georg Kronenberg



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