Express Online: Editorial | 27. Juli 2006

Ein Tag Hip Hop

Manch einer mag Graffiti für eine kindische Kunst halten, das gesamte Dreigestirn der Subkultur des HipHop aus Breakdance, Rap und Sprayen eher im Zusammenhang sozialer Brennpunkte, inklusive vulgärster Ausdrucksweisen, im Kopf haben. Doch die Szene ringt schon lange um eine breitere Akzeptanz, will weg vom Image der "Aggro-Ghettos" und in punkto Sprayen vor allem raus aus dem grauen Schatten der Illegalität. Und wer hätte es gedacht: Mittelhessen ist dabei durchaus ein regionaler Vorreiter. Während in Marburg die anrainende Poetry-Slam-Szene um Protagonisten wie Lars Ruppel im KFZ poetisch slammt, waren es Graffiti-Gruppen wie die "Giessen Maniacs" um den heute fast schon legendären Skid Da Beat, die die Lahnregion in den Metropolen des deutschen HipHop auf künstlerischer Ebene bekannt machten. Und sich gleichzeitig hier vor Ort für legale Sprühflächen engagierten. Gerade in Gießen kann mittlerweile dank einem enorm hohen Maß an politisch-sozialem Engagement viel legal gesprüht werden. Musikalisch unvergessen auch die "Hamburg-Giessen-Connection" zwischen dem Trio "Fettes Brot" und ihrem mittelhessischen Bassisten Arne Diedrichson.

Und wenn nun am 29. Juli zwischen "Holzpalast" und "MuK" ein Graffiti-Contest und Konzert-Festival namens "Let's Slam" für die Subkultur öffentlichkeitswirksam werben wird, werden die Veranstalter auch sehr auf ein positives Echo aus der breiten Öffentlichkeit hoffen. Interessierte aller Art gilt es da, vielleicht nicht gleich zu begeistern, doch zumindest an diesem ganzen Tag voller HipHop ein gewisses Maß an Vorurteilen zu nehmen. Und das ist keineswegs kindisch.

Rüdiger Oberschür



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