Express Online: Editorial | 26. Oktober 2006

Herbstfreuden

Drei Grad wärmer als der Durchschnitt sei der Oktober 2006, berichtet der Deutsche Wetterdienst und prognostiziert, es könne einer der wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnung werden. Aber mit dem goldenen Oktober ist jetzt Schluss. Für die Gewerkschaften sowieso, trotz der eindrucksvollen Großdemos gegen die Politik der Bundesregierung dieser Tage. Schließlich hat sich unser ins Gasprom-Management abgetauchter Altkanzler markig zu Wort gemeldet und insbesondere dem ein oder anderen Gewerkschaftsboss die Laune gründlich verhagelt.

Führende Gewerkschafter wie IG-Metall-Chef Jürgen Peters und ver.di-Chef Frank Bsirske hätten systematisch auf seinen Sturz hingearbeitet, schreibt Schröder in seinen Memoiren, für die er zusammen mit "Bild" kräftig die Werbetrommel rührt. Auch seine Nachfolgerin Merkel und die große Koalition kriegen ihr Fett weg. Ergo reißt seit den ersten auszugsweisen Veröffentlichungen der Kanzler-Erinnerungen die Kritik an dem Sozialdemokraten nicht ab.

Geldmacherei" wettert Wirtschaftsminister Michael Glos von der CSU, und Schröders frühere DGB-Kontrahentin Ursula Engelen-Kefer betont, dass mit dem Mann kaum sachlich zu diskutieren gewesen sei. Läuft doch prima für den Ex-Medienkanzler. "Regelrechte Schröder-Festspiele finden diese Woche in Deutschland statt", konstatiert etwa eine österreichische Zeitung, und auch der Pariser "Figaro" beobachtet einen "einzigartigen Medienrummel" um die Memoiren.

Da kann sich der Vielgescholtene zufrieden zurücklehnen, über einen ob der zu erwartenden Buchverkäufe vergoldeten Herbst freuen und über den Schröder-Film nachsinnen. Sollten seine Erinnerungen jemals verfilmt werden, möchte er vom alten Schimanski-Haudegen Götz George verkörpert werden, hat er schon mal der Bild am Sonntag erzählt.

Georg Kronenberg



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