Express Online: Editorial | 7. Dezember 2006

Kappes

In Zeiten stagnierender Binnenkonjunktur gehört sich Produktschelte eigentlich nicht. Aber in diesem Fall muss sie einfach sein. Es gibt noch immer keine schnurlosen Hochleistungsstaubsauger oder niemals stumpf werdende Rasierer. Dafür entwickelt man jetzt das Kondom aus der Dose. Genauer gesagt aus der Spraydose.

Das Prozedere verlangt vom Unerschrockenen, ein Intim-Intermezzo einzurichten und mittels Aerosol eine zunächst flüssige Schutzschicht auf seinen Schwelles zu sprühen. Die Kautschuk-Wasser-Emulsion vulkanisiert bei Zimmertemperatur zu Latex. Soweit die Theorie, wie sie dem fröhlichen Schreibtischtäter vorschwebt.

Und in echt? Mögliche Anwendungsfolgen wären durchaus katastrophal. Wenn man sich etwa im Eifer des Gefechts vergreift und statt dem innovativen Schmock die gute alte Sprühdose mit Hammerschlaglack erwischt, lufttrocknend und thixotrop mit guter Füllkraft? Oder die mit Kontaktkleber. Wenn der Gummi-Fallout fröhlich den Bewuchs der Binikizone kontaminiert? Im Stoßverkehr Armaturenbrett, Handschuhfach und Windschutzscheibe verkleistert? Wenn vor lauter Hormondruck die Abbindzeit nicht eingehalten wird mit der Folge einer noch innigeren Verbindung? Wenn es schlichtweg zu kalt ist? Und überhaupt: Was ist mit Reservoir. Noppen. Geschmack? Nee, nee, das hat keinen Taug.

Warum wird eigentlich nichts Sinnvolles mehr erfunden? Essbare Schlabberlätzchen zum Beispiel. Denkpatronen. Oder eine Sprühdose, die auf Knopfdruck schwachsinnige Ideen einfach in Luft verwandelt, evtl. mit Tannenduft?

Fragt sich mal wieder

Michael Arlt



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