Express Online: Thema der Woche | 26. Januar 2006

Von Marburg und Gießen nach Bologna

Das Studium wird international: zum Wintersemester soll es in Marburg voraussichtlich über 50 neue Studiengänge mit den Abschlüssen "Bachelor" und "Master" geben.

Acht Jahre ist es her, dass an der Pariser Sorbonne-Universität der so genannte "Bologna-Prozess" begann, mit dem bis 2010 europaweit einheitliche Uni-Abschlüsse geschaffen werden sollen. Inzwischen ist auch in Mittelhessen in Sachen Internationalisierung des Studiums so einiges passiert. Zeit für eine Bestandsaufnahme, wie sich die neuen Abschlüsse "Bachelor" und "Master" und die neuen Leistungspunkte an den Hochschulen in Marburg und Gießen durchsetzen.

Während es an der Gießener Justus-Liebig-Universität die neuen Studiengänge bislang überwiegend im naturwissenschaftlichen Bereich, in Ökotrophologie oder den Agrarwissenschaften gibt, sind an der Philipps-Universität bereits auch zahlreiche neue Studiengänge in den Geisteswissenschaften zu finden, wie ein Bachelor of Arts (BA) in Archäologie, Germanistik, Kunstgeschichte, Politikwissenschaft oder auch ein Master of Arts (MA) in Erlebnispädagogik. In Marburg studieren derzeit ca. 1.100 Studierende in 39 Bachelor- und Masterstudiengängen. Nach Einschätzung von Anke Brugmann, Dezernentin für Studium und Lehre an der Philipps-Universität wird es bis zum WS 2006/07 insgesamt voraussichtlich über 50 neue Studiengänge in Marburg geben.

In Gießen betrug die Gesamt-Anzahl der Studierenden an der JLU im WS 05/6 in Bachelor-Studiengängen 1599 und in Master-Studiengängen: 261. Sowohl die Justus-Liebig-Universität, als auch die Marburger Philipps-Universität wollen bis zum WS 2007/08 sämtliche Magister- und Diplomstudiengänge auf das neue zweigliedrige System der Bachelor- und Masterstudiengänge umgestellt haben. Auch die Fachhochschule Gießen-Friedberg bietet bereits zahlreiche Bachelor- und Masterstudiengänge an. Vor allem in den Wirtschaftswissenschaften und in der Informatik sind hier die neuen Studiengänge bereits im Angebot. An der FH sind derzeit 756 Studierende für einen Bachelor- und 161 für einen Masterstudiengang eingeschrieben.

Von Seiten der Hochschulen ist man mit der Annahme der neuen Studienangebote durch die Studierenden durchaus zufrieden. Für Anke Brugmann von der Philipps-Universität scheint sich aber zu bestätigen, "dass es eine Weile braucht, bis ein Studiengang unter Schüler/innen und anderen Einschreibewilligen bekannt wird."

Inzwischen gibt es in Marburg Studiengänge, bei denen im 2. Jahr der Aufnahme sehr hohe Steigerungsraten an Studienanfängern zu verzeichnen sind. Eine siebenfache Steigerung gibt es beispielsweise beim Bachelor-Studiengang Sozialwissenschaft. In einigen Studiengängen wurden aufgrund der großen Nachfrage bereits Aufnahmebeschränkungen (NC) eingeführt.

Aus Sicht von Stephanie Geyer, Finanzreferentin im Marburger Uni-Asta und bis September vergangenen Jahres Mitglied im studentischen Dachverband fzs ist die Entwicklung aber keineswegs nur positiv zu bewerten "Die Studierenden an der Philipps-Uni kämpfen mit der überstürzten Einführung der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge", so Geyer. So konnten sie sich nach Geyer teilweise schon einschreiben, obwohl ihr Studiengang noch nicht akkreditiert ist. Auch Ole Snoeijer, Referent für Hochschulpolitik im Asta der JLU Gießen sieht die Gefahr, dass eine zuschnelle Einführung der neuen Studiengänge zulasten der Qualität gehen könnte. Als Probleme nennt Geyer, dass Nebenfächer teilweise noch nicht mit dem jeweiligen Hauptfach abgestimmt seien, oder nicht alle Studiengänge in Teilzeit studiert werden könnten. Für Geyer ist es zudem unklar, "wann überhaupt in einem dreijährigen durchstrukturierten Studiengang ein Auslandssemester durchgeführt werden kann."

Carmen Ludwig, stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen, kritisiert die starke ökonomische Ausrichtung des Bologna-Prozesses. Die starke Verschulung der neuen Studiengänge führe zudem zu einer steigenden Arbeitsbelastung für die Studierenden.

Martin Falge



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