Express Online: Thema der Woche | 23. Februar 2006

"Schimmelreiter" wieder im Sattel

Sportstadt Marburg
Marburg ist eine Stadt des Breitensports. Die gute Infrastruktur erlaubt 50 olympische Sportarten. Auch der Hochschulsport bietet viele Angebote.
Spitzensport gibt es bei den Basketball-Frauen, den American Footballern und den Squash-Spielern, die in der Bundesliga spielen.
Gescheitert ist die Stadt mit ihrem Versuch, Trainingsort für ein Nationalteam während der Fußball-
Weltmeisterschaft 2006 zu werden. Marburg hatte sich vor allem bei der Mannschaft der Ukraine gute Chancen ausgerechnet, dann jedoch Pech bei der Auslosung gehabt.
Gesa Coordes
Mit einer Bürgschaft von 500.000 Euro hat die Stadt Marburg den Fußballverein VfB Marburg vor der Zahlungsunfähigkeit gerettet. Jetzt kümmert sich Ex-Oberbürgermeister Dietrich Möller als neuer VfB-Vorsitzender darum, dass der 100 Jahre alte Verein seine Schulden abbaut.

Als ich hier anfing, herrschte das nackte Chaos", sagt Möller beim Blick in das längst aufgeräumte Büro im Vereinsheim der Marburger Fußballer. Ausgerechnet im 100. Jubiläumsjahr stiegen die "Schimmelreiter", so benannt nach ihrem Wappen, aus der Oberliga ab und standen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. In der Not holten sie Möller im Sommer 2005 als neuen Vorsitzenden. Und ohne dessen Kontakte wäre es dem Verein wohl kaum gelungen, eine Bürgschaft von 500.000 Euro von der Stadt Marburg zu erhalten. So fiel der außergewöhnliche Beschluss in der Stadtverordnetenversammlung sogar einstimmig, obgleich eine städtische Bürgschaft für einen Fußballverein in Hessen Seltenheitswert hat. Bekannt wurde der Fall des 1. FC Eschborn, für den die südhessische Kommune mit einer Million Euro bürgte. Doch der Regionalliga-Abstiegskandidat musste im Januar Insolvenz anmelden, möglicherweise ist das Geld nun verloren.

Mit diesem Fall seien sie aber nicht vergleichbar, erklärt der Marburger Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD). Als Sicherheit hat die Universitätsstadt nämlich das 11.000 Quadratmeter große Grundstück mit dem Rasenplatz und dem Vereinsheim, das einen Wert von 740.000 Euro hat. Sollte der Verein Insolvenz anmelden und die Bürgschaft zum Tragen kommen, gehen die Sportanlagen an der Gisselberger Straße an die Stadt. Zudem muss der VfB jedes Jahr Wirtschaftspläne und Abschlüsse vorlegen. Die Bürgschaft dient den Fußballern vor allem dazu, günstigere Konditionen bei den Banken zu erreichen. "Ansonsten hätte die Stadt das niemals gemacht", sagt Vaupel. Viele Kommunalpolitiker kritisieren, dass der Verein die Misere selbst zu verantworten habe. Die Schulden von 500.000 Euro sind zum Teil über viele Jahre hinweg entstanden. Die Hälfte des Defizits wurde jedoch in den knapp zwei Jahren vor dem Amtsantritt Möllers angehäuft. Der Keksfabrikant Christoph Pauly, bis Januar 2005 Vorsitzender, wollte den Verein so führen wie eine große Firma, erzählt Heinrich Meier vom Förderverein Schimmelreiter-Club: "Er hat wirklich das Beste gewollt, aber vieles falsch gemacht." Drei Trainer seien verschlissen, ein teurer Manager angestellt und kostenträchtige Spieler eingekauft worden. Auch seien Kartenabreißer, die zuvor ehrenamtlich im Einsatz gewesen seien, plötzlich bezahlt worden. Dazu kamen notwendige Investitionen in den Rasenplatz und die Sanierung des Vereinsheims. "Die Schulden haben wir jetzt am Bein", sagt Meier: "Wir brauchen mindestens zehn Jahre, um uns zu erholen."

Möller, einst oberster Kämmerer der Stadt, hat dem Verein erst einmal eine kräftige Abmagerungskur verpasst: Manager und bezahlte Kartenabreißer gibt es nicht mehr. Der Platz wird ehrenamtlich gewartet und sogar bei den Reinigungsarbeiten wurde gekürzt. Der VIP-Raum fungiert wieder als Sitzungszimmer für die Spieler. Zudem wurden auch bereits einige Sponsoren gewonnen. Allmählich komme der Verein nun in ruhigeres Fahrwasser. "Was andere in so vielen Jahren gegen die Wand gefahren haben, wieder hinzubiegen, ist nicht ganz leicht", sagt Möller.

Von der Oberliga ist der VfB ein Jahr nach seinem Abstieg jedoch weit entfernt. Zur Zeit steht die Mannschaft in den roten Trikots auf Platz zwölf der Landesliga Mitte. Trainer Volker Münn, der einst in der ersten Liga bei Eintracht Frankfurt spielte, musste eine fast komplett neue Mannschaft aufstellen. Zwangsläufig setzte er auf die Jugend aus den eigenen Reihen. Das Durchschnittsalter in der ersten Mannschaft liegt nun bei 21 Jahren. Münn: "Wir backen jetzt erst einmal kleinere Brötchen und freuen uns, wenn wir im oberen Drittel landen." Heinrich Meier vom Förderverein ist aber ganz zufrieden mit der Mannschaft: "Wir fühlen uns jetzt in der Landesliga mit eigenen Leuten wohler als in der Oberliga mit vielen Fremden."

Gesa Coordes


Express Online: Thema der Woche | 23. Februar 2006

Intensiv irritierend

Im Rahmen des kunstpädagogischen Seminars "Wahrnehmung" von Johanna Staniczek eröffnete die Ausstellung "Auf den zweiten Blick" im Unteren Hardthof. Studenten und Studentinnen der Kunstpädagogik zeigen hier noch bis zum 26. Februar eindrucksvolle Auseinandersetzungen mit der Op-Art.

Flimmereffekte, optische Täuschungen und scheinbare Dreidimensionalität – das Spektrum der ästhetischen Themengebiete ist weit gefächert, mit denen sich Studenten und Studentinnen der Kunstpädagogik über zwei Semester auseinandergesetzt haben. Das spiegeln die Arbeiten der Seminars-Ausstellung "Auf den zweiten Blick"eindrücklich wider. Die Arbeiten tragen Titel wie "Farbverläufe Duo" von Christiane Seipel, "Erleuchtet werden" von Sonja Heidlas oder im Falle von Janina Seiffert einfach nur "Grün"und setzen vor allem Schwerpunkte in der Auseinadersetzung mit Künstlern der Op-Art.

So setzt sich Maria Daus in ihrer Werkgruppe "OP" mit dem Op-Art-Künstler Victor Vasarely auseinander. Auf Papier mit Filzstift und in regelmäßigen Symmetrien von Mustern erzeugen ihre Arbeiten Flimmereffekte und erzeugen so eine vibrierende bis plastische Gesamtheit. In ihren drei Acrylmalereien auf Holz erzeugt Christiane Seipel auf zweidimensionalem Grund durch Richtungsbezüge von Flächen und Linien scheinbar Tiefe und Räumlichkeit. So werden optischen Täuschungen zum Kunstkonzept verkehrt, und das mit größtmöglicher Wirkung. Einfachste geometrische Strukturen bestimmen auch bei Laura Walter, die mit der Präzision von Finelinern Linien schafft, an deren Überschneidungspunkten plötzlich beim längeren Betrachten Punkte aufleuchten, die Arbeiten. Die größte Arbeit der Ausstellung, eine Installation namens "Netzwerk" von Samuel und Karbe und Susanne Hanel, vervierfacht das Spiel der optischen Täuschungen und ordnet sich gleichzeitig formal strenger Symmetrie unter. So entfaltet sich der sogenannte Moiré-Effekt unter dem permanenten Eindruck von Helligkeitsschwankungen und Verzerrungen. Geht die Treppe nach oben oder untern, von links nach rechts? In jedem Fall erstmal in die Irre, wenn man sich eine der Arbeiten von Christiane Seipel anschaut.

So zeigt die Ausstellung "Auf den zweiten Blick" in vollem Maße eine gelungene Auseinandersetzung mit der Op-Art, für die man sich allerdings etwas Zeit nehmen muss – sonst sind die intensiv irritierenden Betrachtungen gerade mal halb so interessant.

Die Ausstellung "Auf den zweiten Blick" im Unteren Hardthof ist noch bis So 26.2. jeweils von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

Rüdiger Oberschür



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