Express Online: Thema der Woche | 16. März 2006

Die Stimme aus der Mülltonne

In Gladenbach sprechen die Mülleimer: Wer ein Bonbonpapier in die Stahlbehälter wirft, dem tönt eine Frauenstimme entgegen, die sich für sein Umweltbewusstsein bedankt. Auch in Marburg, Bad Orb, Gedern, Lollar und Oberursel machen die Abfallbehälter von sich Reden.

Der ahnungslose Bürger zuckt erschreckt zurück, die Kinder lockt es in Scharen. Immer wieder greifen sie mit der Hand in die Tonne, um die Stimme aus dem Mülleimer auszulösen. Seit wenigen Tagen stehen fünf der ungewöhnlichen Abfallbehälter auf dem Marktplatz und den Einkaufsstraßen von Gladenbach (Kreis Marburg-Biedenkopf). Weitere fünf Stahlbehälter sollen folgen.

Wir wollen uns als saubere Stadt präsentieren", sagt Bürgermeister Klaus-Dieter Knierim (CDU): "Wir haben immer wieder festgestellt, dass die Müllberge vor und unter den Papierkörben größer sind als im Abfallbehälter." Das ist nun vorbei. Dafür muss der Bauhof mitunter verstärkt ausrücken, um die Eimer rechtzeitig zu leeren. Manch ein Jugendlicher sucht nämlich auch das letzte Taschentuch heraus, um die Tonnen zum Sprechen zu bringen: "Die Firma xy bedankt sich für ihr Umweltbewusstsein", ist da zu hören.

Darin liegt nämlich – für den Bürgermeister – der zusätzliche Charme der eigenwilligen Idee. Für die Kommune sind die sprechenden 50-Liter-Boxen kostenlos. Sie hat nur dabei geholfen, die 18 Sponsoren zu finden, die das Projekt finanziert haben. Für alle 18 Unterstützer – Taxiunternehmen, Praxen, Modehäuser, Autowerkstätten, Friseure, Handwerker und Steuerberater – gibt es eine eigene Bandansage, die an den Mülleimern zu hören ist.

Betrieben werden die Papierkörbe mit einem Solarmodul, das an der Mülleimer-Stange montiert ist. Ausgelöst wird die Stimme durch eine Lichtschranke.

Eine Fernsehsendung mit Günter Jauch brachte Bürgermeister Knierim auf die ungewöhnliche Idee. Es dauerte allerdings noch viele Monate, bis die Tonnen tatsächlich geliefert werden konnten. Die Gladenbacher sind mit ihren redenden Mülleimern auch keineswegs die ersten in Hessen. Zu den Pilotprojekten zählen die vier sprechenden Abfallbehälter vor dem Marburger Freizeitbad Aquamar, die seit Sommer 2005 die Schwimmer anlocken: "Man merkt einen großen Unterschied", erzählt Frank Nassauer vom Aquamar: "Es liegt kein Müll mehr vor dem Bad." Die Schwimmbadfreunde kennen allerdings auch die Haken der Solartechnik. Wenn es schneit, verstummen die Mülleimer. Dann reicht die Energie nicht aus, um die Stimme in Gang zu setzen.

Nach Auskunft der Vertreiber-Firma Starlight stehen sprechende Abfalleimer zudem in Bad Orb, Gedern, Lollar und Oberursel. Produziert werden die Tonnen zurzeit auch für Eschwege, Bad Arolsen und Wächtersbach.

Gesa Coordes



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