Express Online: Editorial | 22. März 2007

Die Wunschfee ist los!

Wenn die Wunschfee einen Briefkasten hätte und ich ihr jetzt schreiben dürfte, hätte ich bessere Ideen als all die Pappnasen in Märchen und Witzen, die man gegen alle Erwachsenenvernunft doch ein bisschen um ihre Chance beneidet? Was für eine Art Wunsch wäre wirklich schlau? Würde ich auch auf so etwas wie die Villa am Meer hereinfallen, nur um anschließend festzustellen, dass dummerweise 90 Prozent meiner Freunde der neuesten Kreation der Klassengesellschaft angehören, nämlich dem Prekariat, und dass die sich von ihrem Algzwo die Fahrt ans Meer nicht allzuoft leisten können? Dann sitz ich da.

Die Sache ist nämlich die: ab dem 23. März gibt es tatsächlich so etwas wie Wunschbriefkästen in Marburg, an öffentlichen Orten verteilt vom Theaterensemble german stage service und erkennbar an der E-Kirche mit staunendem Blick auf mediterranes Blau. Dort kann man Vordrucke ergänzen, auf denen oben draufsteht "mich würde froh machen, wenn..." - Moment mal: "ich wünsche mir..." ist nicht ganz dasselbe wie "mich würde froh machen, wenn..." Denn einen Wunsch erfüllt bekommen, heißt nicht, dass man hinterher auch froh ist, im Gegenteil: Wen die Götter strafen wollen... Tricky, tricky. Das ganze betitelt german stage service übrigens als "Schenkung", und hinter der Komplikation steckt natürlich mal wieder eine Frau. Elisabeth nämlich, zu deren Geburtstag das Theaterensemble das Projekt ersann.

Am 14. Juli werden die gesammelten Äußerungen in einer achtstündigen Lesung der Öffentlichkeit präsentiert. Da wäre es wünschenswert, auch ohne Wunschfee froh zu sein.

Ulrike Rohde

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