Express Online: Editorial | 2. August 2007

Ich bin verwirrt,

lieber Express-Leser. Ich frage mich: Wer bist du? Was willst du?

Diese Verwirrung hat mich befallen, seit ich vor kurzem mit jemandem gesprochen habe, den ich normalerweise gar nicht kennen würde, weil er komplett anders ist als ich. Er ist männlich, gehört zur Generation meiner Eltern und war Berufssoldat. Als er 1963 seine Grundausbildung absolvierte, war er einer von wenigen freiwilligen Zeitsoldaten unter den Wehrpflichtigen. Vom Militärpfarrer nach seiner Motivation für die Berufswahl gefragt, deutete er auf die große Weltkarte an der Wand, zeitgemäß und übersichtlich unterteilt in blau und rot. Er sei Soldat, antwortete er, um eine weitere Ausdehnung der roten Farbflächen zu verhindern. So weit die Vorgeschichte.

Was mich so nachhaltig verwirrt, kam später, als wir über die lokale Presselandschaft sprachen. Da streute mein Gegenüber die Bemerkung ein, der Express habe sich inzwischen ja ganz positiv entwickelt, er selbst nehme ihn auch oft mit nach Hause. Meine spontane Antwort war: Das gibt mir jetzt zu denken. Später fügte ich hinzu, daß wohl auch junge, radikale Zeitungsherausgeber dazu neigen, älter und gesetzter zu werden.

Eine gewisse Ratlosigkeit kann ich nun nicht abschütteln. Dass das Zeitalter der Ideologien passé ist und die Aufteilung der Welt in "blau" und "rot" nicht mal mehr für den Kindergarten taugt, hat sich ja durchaus rumgesprochen. Trotzdem, lieber Leser: Wer bist du? Ich jedenfalls bin die, die unter anderem eine (neulich an dieser Stelle dokumentierte) Schwäche für die famosen Untaten der Yippies hat. Ist das bei dir angekommen, oder brauchst du vom Express nur den Veranstaltungskalender?

Ulrike Rohde

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