Express Online: Editorial | 25. Oktober 2007

Trotzdem willkommen

Was für ein unfreundlicher Empfang: Der Oberbürgermeister einer Universitätsstadt beschimpft bei der Erstsemesterbegrüßung zum 400. Uni-Geburtstag erst mal die paar vor der Bühne protestierenden Studenten. Die sind zwar ziemlich lautstark, machen aber am Samstag völlig friedlich ihrem Ärger über die hessischen Studiengebühren Luft – für den CDU-Rathauschef dennoch eine "Unart".

Den Erstsemestern legt Gießens Stadtoberhaupt Heinz-Peter Haumann nahe, sie sollten sich entscheiden ob sie "ordentliche" oder "unordentliche" Studenten sein wollen. "Unordentlich" sind aus seiner Sicht offenbar die ihn störenden, eine andere Meinung als er vertretenden, protestierenden Hochschüler.

Damit nicht genug: Der CDU-OB, der Gießen im Verlauf seiner Rede als Stadt mit der höchsten Studentendichte in Deutschland rühmt und bei den Erstsemestern wirbt, sie mögen ihren Erstwohnsitz in Gießen anmelden, setzt noch einen drauf. Es gebe in der Stadt einen Teil der Studierenden, auf den man stolz sein könne, "und einen Teil, auf den wir nicht stolz sind": die Demonstranten. Diesen riet er gar, die Stadt zu verlassen.

Die Botschaft scheint klar – willkommen ist nur, wer sich brav anpasst, nicht mit Kritik die kleinbürgerlichen Kreise stört und natürlich auch nicht so ungehörig ist, den Rathauschef während seiner Rede mit Pfiffen zu stören.

Mit diesem Auftritt während des ansonsten gelungenen Festtags der Gießener Uni hat der OB der Stadt einen Bärendienst erwiesen: Eine größere Anti-Werbung für eine Hochschulstadt, die ein "innovativer Wissenschaftsstandort" sein will und kritische Geister – in Forschung wie Politik – braucht, kann man wohl kaum machen.

Georg Kronenberg

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