Express Online: Editorial | 6. Dezember 2007

Deutungsschwach

Dass die Ergebnisse der Pisa-Studie von rechten wie linken Bildungspolitikern ohne jedes schlechte Gewissen als Unterstützung für die eigene Schulpolitik umgedeutet, leicht verbogen oder gar völlig auf den Kopf gestellt werden, ist nichts Neues.

Dass Hessens wortgewandter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) Umdeutereien meisterhaft beherrscht, ist auch nicht neu – siehe zum Beispiel den unter dem Motto "Operation sichere Zukunft" vorangetriebenen massiven Sozialabbau.

In puncto Pisa lässt sich Koch kurz vor der hessischen Landtagswahl denn auch nicht lange bitten – und behauptet in einem Zeitungsinterview, die schwachen Leistungen deutscher Schüler seien wegen des höheren Anteils von Ausländern in Deutschland nicht mit Pisa-Spitzenreitern wie Finnland vergleichbar. O-Ton Koch in der "Wetzlarer Neuen Zeitung": "Wir können uns mit den nordischen Ländern schon deshalb nicht vergleichen, weil sie im Vergleich zu uns praktisch keine Migration haben."

Was Hessens erster Bürger damit sagen will, scheint klar: nicht eine falsche Bildungspolitik, sondern die Kinder von Migranten sind für miese Pisa-Ergebnisse deutscher Schüler verantwortlich. Einer derart tumbe Argumentation zeigt freilich auch, wie sehr die CDU-Alleinregierung vor der Landtagswahl schwächelt – und versucht mit ausländerfeindlichen Stammtisch-Parolen auf Stimmenfang zu gehen. Das ist bereits einmal aufgegangen: 1998, als Koch mit der Kampagne gegen die doppelte Staatsangehörigkeit polarisierte – und den Wahlsieg in Hessen errang.

Georg Kronenberg

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