Er hat einen der größten Misserfolge der europäischen Raumfahrt doch noch in eine Erfolgsgeschichte verwandelt. Und das war erst der Anfang: Der von dem Gießener Physiker Horst Löb entwickelte Ionenantrieb könnte helfen, Antworten auf fundamentale Fragen zur Physik und Astronomie zu geben: Die Europäische Weltraumagentur ESA plant eine Reihe von Missionen, bei denen Sonden mit höchster Genauigkeit im All positioniert werden müssen wofür in Gießen spezielle, sogenannte "Mikro-Newton-Ionentriebwerke" entwickelt werden.
Für das Weltraumexperiment "Darwin" will die ESA etwa eine Flotte von Teleskop-Satelliten ins All schicken, um nach den Ursprüngen des Lebens, nach Anzeichen von Leben auf erdähnlichen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems zu suchen. Nach derzeitiger Planung soll die Mission aus vier einzelnen Satelliten bestehen, die frühestens 2015 ins All starten. Der Gießener Ionenantrieb gilt als besonders Erfolg versprechendes Antriebskonzept für die Teleskop-Flotte. Seit 2004 fördert die ESA die Justus-Liebig-Universität bei der Vorentwicklung der dafür nötigen Mikro-Newton-Ionentriebwerke. Jetzt wird mit der Realisierung eines Triebwerks nach Raumfahrt-Standard begonnen.
Der bereits Anfang der 1960er Jahre von dem inzwischen emeritierten 74-jährigen Physikprofessor Horst Löb entwickelte Antrieb hatte 2002 seinen spektakulären Praxiseinsatz und verhinderte gleich eine 821-Millionen-Euro-Pleite der ESA. Durch einen Fehler im Triebwerk einer Ariane-Rakete war der ESA-Nachrichten-Forschungssatellit "Artemis" nach dem Start im Juli 2001 etwa auf halbem Weg zur vorgesehenen geostationären Umlaufbahn in 36.000 Kilometern Höhe gestrandet. Mit chemischen Reservetreibstoff konnte der nicht versicherte 821-Millionen-Euro-Satellit anschließend nur auf 31.000 Kilometer Höhe gebracht werden, wo er seine Bahnen nutzlos um die Erde zog.
Um die Millionen-Pleite abzuwenden, funktionierte die ESA die vier an Bord befindlichen Ionentriebwerke, die eigentlich nur zur Bahnstabilisierung im All gedacht waren, zum Antrieb um. Die "elektrischen Raketen" brachten den nach der griechischen Jagdgöttin benannten Satelliten in elf Monaten ins 5.000 Kilometer entfernte Ziel: gemächlich, erst mit 25, dann mit 15 Kilometern Höhengewinn pro Tag. Die zwei Ionentriebwerke englischer Produktion waren bereits kurz nach dem Start durch einen Kurzschluss ausgefallen. Und auch eines der beiden deutschen Triebwerke versagte wegen einem simplen Defekts an einem Standardteil für die Treibstoffzufuhr.
Das letzte deutsche Ionentriebwerk sorgte aber dafür, dass der "längste Stapellauf der Raumfahrtgeschichte" (ESA-Projektleiter Gotthard Oppenhäuser) ein erfolgreiches Ende hatte.
Die Rettungsaktion war gleichzeitig eine glanzvolle Premiere: "Das war weltweit das erste Mal, dass ein Satellit im Erdfeld mit einem elektrischen Antrieb auf eine höhere Umlaufbahn gebracht wurde", berichtet Entwickler Löb. Er sieht einen großen Zukunftsmarkt für die Ionentriebwerke, "weil die Triebwerke einen vergleichsweise geringen Treibstoffverbrauch haben".
Dadurch könnten Satelliten mit kleineren Startraketen ins All geschossen werden was die Kosten deutlich reduziere.
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