Express Online: Thema der Woche | 8. Februar 2007

Hoheiten mit dunkler Haut

Als positive Botschafter in Sachen Karneval verkörpern sie "Ideale": "Ihre Lieblichkeit Prinzessin Chocolat Melanie I." und "seine Herrlichkeit Prinz Besim" von Stadtallendorf

Am liebsten wären sie ein ganz normales Prinzenpaar. Doch die karnevalistischen Hoheiten Stadtallendorfs fallen nicht nur durch ihre farbenprächtigen Kostüme auf: "Ihre Lieblichkeit Prinzessin Chocolat Melanie I." ist dunkelhäutig, "seine Herrlichkeit Prinz Besim" ist Moslem. Einige Jecken aus dem katholischen Karnevalsverein FCKK seien deshalb bereits ausgetreten, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Doch Sitzungspräsident Günter Köller wiegelt ab: Die Zahl der Austritte – 12 von 430 – sei genauso hoch wie in früheren Jahren. Und dafür habe es 20 Eintritte gegeben. Er habe nur einen Stadtallendorfer getroffen, der fürchtete, dass nun auch noch das Narrenvolk von Fremden unterwandert werde. Köller gelang es auch nicht, den Kritiker eines Besseren zu belehren. Das Prinzenpaar selbst – beide haben einen deutschen Pass – konzentriert sich lieber auf den Fasching. "Schräge Reaktionen gibt es immer", weiß Besim Agca: "Ich will sie gar nicht wissen."

Schließlich gibt es auch viele, die richtig stolz auf das neue Prinzenpaar sind. "Als positive Botschafter in Sachen Karneval verkörpern sie unsere Ideale", schwärmt Köller. Sie seien hervorragende Repräsentanten für die Industriestadt unweit von Marburg, die einen Ausländeranteil von mehr als 25 Prozent aufweist und mehr als 70 Nationen beherbergt: "Sie sind ein gutes Beispiel für hervorragende Integration."

In der Tat: Im Alter von sechs Jahren kam der aus dem Süden der Türkei stammende, zur arabischen Minderheit gehörende Besim Agca nach Stadtallendorf. Der einst als "Kanake" beschimpfte Gastarbeitersohn machte nicht nur Abitur, er schaffte auch das Studium der Betriebswirtschaft in Gießen. Als Versicherungsfachmann betreut er heute vor allem Ärzte aus der ganzen Region. Wie erfolgreich er dabei ist, zeigen zahlreiche Auszeichnungen in seinem Büro. Zudem trainiert er eine Fußballjugendmannschaft.

Als Melanie Agca in Stadtallendorf aufwuchs, war sie die einzige Farbige ihrer Schule. Die Hänseleien über ihre "ungewaschene Haut" und die schwarzen Locken hörten erst auf, als sie Besim kennen lernte: Ausgerechnet beim Kinderkarneval vor 20 Jahren. Sie war damals 14 Jahre alt, Besim war 19. Beide Eltern waren wenig begeistert von der Liebe zwischen der streng katholisch erzogenen Melanie und ihrem muslimischen Freund. Doch die beiden heirateten und haben heute vier Kinder im Alter zwischen fünf und 16 Jahren – ihren Glauben behielten beide. Zu ihren Freunden zählen Italiener, Türken, Araber und Deutsche. "Wir suchen nicht die Nähe der Nörgler", erklärt Besim Agca.

Dass sich Melanie Agca "Prinzessin Chocolat" nennt, bezieht sich aber nicht nur auf ihre Hautfarbe. Die gelernte Friseuse steht bei dem Süßwarenhersteller Ferrero in Stadtallendorf am Band. Drum heißt sie unter den Jecken auch "elegante Veredlerin der Goldnen Kugel".

Die 35-Jährige liebt den Fasching, weil sie dabei so viele "tolle, offene Menschen" kennen lernt. Sie stammt aus einer "närrischen Familie": Der Vater ist Kölner, die Schwester trainiert die Nachwuchsgarde, eine Nichte spielt das Tanzmariechen. Dagegen hat der Karneval in Besim Agcas Kultur keine Tradition. Diese deutsche Sitte habe er seinen Glaubensgenossen erst erklären müssen, sagt er. Dass er nun Karnevalsprinz ist, finden sie eher amüsant.

Gesa Coordes



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