Express Online: Thema der Woche | 22. März 2007

Wortspiele und Satzkaskaden

Kabarettist Jochen Malmsheimer gastierte bei den Gießener Satirewochen mit seinem Programm "Ich bin kein Tag für eine Nacht". Die Organisatoren "FaberhaftGuth" eröffneten die 11. Ausgabe des Festivals zuvor mit ihren "Papanoia" und Nessi Tausendschön war mit "Frustschutz" im Juks. Bleibt jetzt nur noch Philipp Weber, der zum Abschluss "schief ins Leben" blickt

Als "ein Abend in Holz" ist Jochen Malmsheimers aktuelles Programm untertitelt, eine sinnbildliche Ergänzung, die man erstmal dechiffrieren muss. Torpediert Malmsheimer damit den hölzernen Politjargon dieser Tage oder unser alltägliches Brett vorm Kopf? Nun, dreimal auf Holz geklopft, die Unterzeile lässt den Raum für Interpretationen ziemlich weit offen.

Malmsheimers Auftritt bei den 11. Gießener Satirewochen im ausverkauften Juks zeugte eher von einer gesunden Mischung der Persiflagen auf Krisengespräche, Moderatorengewäsch und Fremdsprachenkurse. Dass Malmsheimer, der Fernsehformate bis dato glücklicherweise meidet, sich prinzipiell in leidenschaftlichem Vortrag am Reichtum einer entfesselten deutschen Sprache reibt und sich in liebevoller Weise am Aberwitz eines in höchste Not geratenen Alltags ergötzt, war Kennern seines Kabaretts schon lang bekannt, doch alle anderen mussten sich auf die wilde Akrobatik an Rhetorik erst gewöhnen.

Im Zeitlupensermon zwischen drei Mikrofonen schildert Malmsheimer die biochemischen Vorgänge im Manneskörper, wenn dieser spontan zur Konversation gezwungen ist. Und das auch noch mit einem weiblichen Gegenüber, am gedeckten Candle-Light-Dinner-Tisch. Da erinnert manches an die "Leber-an-Großhirn"-Blödeleien eines Otto Waalkes, doch Malmsheimer ist weit aus subtiler und vor allem ziemlich akribisch. Am Ende stellt sein fiktiv erlebendes Ich zumindest eindeutig fest, dass er kein Tag für eine Nacht sei, wie immer der Abend dann auch weiter verlaufen soll.

Malmsheimer, der Träger des Salzburger Stieres, erkämpft sich die Pointen der Wortspiele in der deutschen Sprache auf gewagte wie anspruchsvolle Weise. Seine satirischen Wort- und Satzkaskaden treffen Mark und Zwerchfell gleichermaßen heftig. Einst legte der Pointendrescher wider den Wortsinn mit dem Autor Frank Goosen den Grundstein für das legendäre "Tresenlesen", das ihm scheinbar von Anfang an unnötige Faxen im gestischen Bereich abtrainiert hat. Vielleicht war auch schlichtweg jenes Eichenholz bierseliger Theken gemeint?

Als Zugabe bringt Malmsheimer seinem begeisterten Gießener Publikum die Ansprache eines überaus kritischen Flaneurs zur Frühlingszeit näher. Hinterher sagt jemand zwei Reihen weiter hinten. "Der ist einfach zu gut fürs Fernsehen.". Das stimmt und gilt für Nessi Tausendschöns "Frustschutz" wohl nicht minder. Das weibische Naturereignis der deutschen Kleinkunst gurgelte und säuselte bei ihrem Auftritt in der Theaterwerkstatt so leidenschaftlich durch den Parodienreigen, dass ihr der Aufstieg in die nationale Comedy-Elite bald sicher sein dürfte.

Mit Philipp Weber steht diese Woche ein durchaus alter Bekannter der Gießener Satirewochen auf der Bühne. Einst spielte Weber hier in dem Kabarett-Kollektiv "Mach3!", man darf also gespannt sein. Infos zum Festival unter www.satirewochen.de.

Rüdiger Oberschür

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