Express Online: Thema der Woche | 24. Mai 2007

Frischer Wind

Das Marburger Kindheitsmuseum startet durch – mit neuem Konzept, neuem Träger, neuen Mitarbeitern und viel altem Charme

Ein märchenhafter Aufstieg: Überwölbt von alten Bäumen, führt das Kopfsteinpflaster bergan. Eine Katze kreuzt stolzen Schrittes den Weg. Noch ein paar Stufen, dann öffnet sich der prachtvolle Eingang der Hüterischen Villa in eine Wunderwelt. Eine Welt vergangener Kindheit. Am Barfüßertor 5 beherbergt das ehemalige Professoren-Domizil aus dem späten 19. Jahrhundert seit drei Jahrzehnten die einzigartige Sammlung des Marburger Kindheitsmuseums.

Museumsleiterin Helge-Ulrike Hyams möchte das Haus nun aus seinem Dornröschenschlaf wecken. Die emeritierte Pädagogikprofessorin und Kindheitsforscherin hat das Kindheitsmuseum gemeinsam mit ihrem Mann, dem Sozialhistoriker Charles Barry Hyams, 1977 ins Leben gebracht. Mit der Villa des Philanthropen Victor Hüter, der 1886 Teile seines Vermögens in eine Stiftung für sozial bedürftige Kinder einbrachte, wurde ein angemessenes Ambiente gefunden. Auf zwei Etagen gewährt die Sammlung Hyams mit ihren Kinder- und Schulbüchern, Lithographien, Puppen, Holz- und Blechspielzeug Ein- und Rückblicke in die Kindheit des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Ein bürgerliches Kinderzimmer der Kaiserzeit ist ebenso zu bestaunen wie eine komplette hessische Zwergschule oder die gutbevölkerte Klinik eines Puppendoktors.

Jetzt soll frischer Wind in das Museum einziehen", verkündet Helge-Ulrike Hyams und sagt der Patina den Kampf an. Der Übergang in einen gemeinnützigen Verein Marburger Kindheitsmuseum e.V. ist vollzogen, Verhandlungen über die Grundfinanzierung sind angelaufen. Verschiedene Kooperationspartner wie Arbeit und Bildung e.V. oder die Marburger Freiwilligenagentur sind neben dem Hessischen Museumsverband mit im Boot. "Wir wollen moderner und besucherfreundlicher werden": Café und Museumsshop sollen entstehen, Besucher in offenen Werkstätten wie einer Buchbinderei den Restauratoren über die Schulter blicken und selbst Hand anlegen können. Museale Barrieren sollen fallen, die Ausrichtung interkultureller werden und der zeitliche Horizont bis zur Gegenwart erweitert. "Es wird ein offenes, interaktives Museum für alle", beschreibt Helge-Ulrike Hyams voll Elan das neue Motto. Den Schritt in die Moderne möchte die Mutter vierer Kindern – "alle im Museum aufgewachsen" – mit rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wagen. Das soziokulturelle Projekt mit Modellcharakter ist auf zwei bis drei Jahre angelegt. Gemessen an märchenhaften Maßstäben zwar eine kurze Spanne. In der in Wirklichkeit freilich manches zu bewegen ist.

Marburger Kindheitsmuseum, Barfüßertor 5, tägl. außer Montag 10.00 – 18.00, Tel.: 06421/24424

Michael Arlt

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