Express Online: Thema der Woche | 28. Juni 2007

Die Störche kommen zurück

Adebar ist wieder da: Zum ersten Mal seit knapp 40 Jahren hat wieder ein Weißstorchpaar im Kreis Marburg-Biedenkopf gebrütet.

Die Storchenmutter sieht man schon aus der Ferne. Auf dem 18 Meter hohen Schornstein der still gelegten Molkerei von Rauischholzhausen (Kreis Marburg-Biedenkopf) wacht sie über den drei Jungen, die ihre hungrigen Schnäbel über den Nestrand recken. Mit Regenwürmern, Heuschrecken und Fröschen wird der erst wenige Tage alte Nachwuchs gefüttert.

Eine "Sensation" nennt dies Landrat Robert Fischbach. Zum ersten Mal seit knapp 40 Jahren hat wieder ein Weißstorchpaar im Kreis Marburg-Biedenkopf gebrütet. Freilich hat sich das Paar nicht etwa auf einem der sechs Horstmasten niedergelassen, die Naturfreunde in der Region installiert haben, sondern sich den hohen Schornstein ausgesucht. Um den haben sich die Störche dann noch einen langen Kampf mit einem zweiten Paar geliefert, das sich ebenfalls für den alten Molkereibau interessierte, erzählt der Sprecher der Landesarbeitsgruppe Weißstorchschutz, Rainer Lorenz.

Er hat sich besondere Sorgen gemacht, weil der einen Meter breite Schornstein kein Gitter hat: "Wir hatten Angst, dass die Eier durchfallen", sagt Lorenz. Doch die Störche haben ihr Nest mit daumendicken langen Ästen stabilisiert. Seit Tagen sind sie die Attraktion im Dorf. "Brütende Störche habe ich zuletzt in den 60er Jahren in Kirchhain gesehen", erzählt der Rentner, der die seltenen Tiere täglich von seinem Haus aus beobachtet. Das war auch das letzte Storchenpaar, das im Landkreis gebrütet hat. Seitdem waren die beliebten Tiere fast nur noch auf der Durchreise in der Region.

Aber bereits 2005 entdeckten die Naturschützer 20 Jungstörche an der Radenhäuser Lache, im Ohmbecken und am Arzbach. Sie blieben den ganzen Sommer. In den vergangenen Jahrzehnten ist der Lebensraum für Meister Adebar nämlich deutlich verbessert worden. Mehrere Feuchtgebiete wie die Radenhäuser Lache und die Rauwiesen bei Roßdorf sowie Bäche wie der Arzbach bei Großseelheim wurden renaturiert. Darin sehen Kreis und Naturschützer auch den Grund für die ersehnte Wiederkehr. Schließlich brauchen die Tiere 200 Hektar extensiv bewirtschaftetes Grünland je Storchennest.

Seit elf Jahren nehmen die Weißstörche in ganz Hessen wieder zu. 2006 gab es insgesamt 119 Brutpaare, die 290 Jungen aufgezogen haben. Die meisten leben allerdings in Südhessen nahe Biebesheim, im Ried und bei Wiesbaden. Aber auch im Kreis Gießen wurde erstmals nach 50 Jahren wieder gebrütet. Drei weitere Paare wurden in der Schwalm entdeckt.

Um die Störche von Rauischholzhausen zu schützen, warnt der Landrat vor "Storchentourismus". "Jetzt müssen wir schauen, ob die Jungen groß werden", sagt auch der Rentner, der hofft, dass die Tiere nun jedes Jahr wieder kommen. Zwei Monate werden die Jungen im Nest groß gezogen. Im Herbst ziehen sie über Frankreich nach Spanien und Portugal.

Wer Störche beobachtet, kann sich bei der Landesarbeitsgruppe Weißstorchschutz, Tel. 06421-82513, melden.

Gesa Coordes

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