Express Online: Thema der Woche | 16. August 2007

Raus aus den Abwehrkämpfen

Rund 80 Studierende aus ganz Deutschland haben sich zum ersten Sommercamp über Perspektiven linker Hochschulpolitik in Marburg getroffen.

Perspektiven gibt es", bilanziert Politikstudent Kurt Stiegler: "Die Frage ist nur, ob man sich traut, in Opposition zu gehen." Aus ganz Deutschland waren die rund 80 Studierenden am Wochenende zum Sommercamp angereist. "No way left?", lautete der provokative Titel. Wege und Perspektiven für linke Hochschulpolitik sahen die Besucher natürlich. "Sonst wären wir ja nicht hier", kommentierte ein Teilnehmer trocken.

Ein Camp war das linke Sommerlager dann allerdings nicht. Die geplante Zeltstadt gegenüber von der Mensa ging regelrecht baden. Die Stadt an der Lahn war von den Regenfällen der vergangenen Tage so überschwemmt, dass sich in ganz Marburg kein zentraler Platz zum Zelten fand. Die Angereisten rollten ihre Schlafsäcke in den Seminarräumen des Instituts für Heil- und Sonderpädagogik aus.

Anlass für das Treffen ist ein grundsätzliches Problem der Studierendenvertretung: "Wir gehören zu der letzten Studierendengeneration, die noch nach dem alten System studiert", erklärt die stellvertretende Marburger AStA-Vorsitzende Karin Zennig. Die Nachkommenden steckten so fest in den neuen Bachelor-Studiengängen, dass sie keine Zeit und Kraft mehr für kontinuierliche Mitarbeit in Studierendenvertretungen haben. Dabei gebe es viele Studierende, die sich gerne engagieren wollten.

Patentlösungen für diese Probleme konnte das Sommerlager nicht bieten. "Wir müssen aus den Abwehrkämpfen herauskommen und Gegenmodelle für die Demokratisierung der Hochschule entwickeln", meint der Pädagogikstudent Matthias Schweizer. Da mache es Mut zu erleben, dass viele andere ähnlich denken.

Philosophiestudentin Judith Ancke möchte etwas tun "gegen diese halb zerstörte Uni, in der alles dem Verwertungs- und Leistungszwang unterworfen wird". Sozialwissenschaftler René Held wünscht sich, dass aus den vielen kleinen hochschulpolitischen Protesten ein "Flächenbrand anstelle von lokalen Feuerchen" wird. Und wenn man den Marburger Pädagogikstudenten Dominik Werner fragt,muss Uni grundsätzlich "eigentlich ganz anders laufen". Es gebe viel zu wenig Freiräume für selbst bestimmte Wissenschaft.

Immerhin sei es in Hessen im vergangenen Jahr in Ansätzen gelungen, die Studierenden wieder zu politisieren, freut sich der frühere Frankfurter AStA-Vorsitzende, Amin Benaissa: "Wir haben ordentlich Widerstand geleistet." Dagegen hat Marcus Grätsch vom bildungspolitischen Netzwerk reflect die Hoffnung auf Veränderungen innerhalb der Hochschule schon fast aufgegeben. Die Proteste der Studierenden seien "katastrophal gescheitert", sagt Grätsch: " Bildung ist bereits eine Ware. Man weiß nur noch nicht, was sie kosten soll." Anstelle der symbolischen Aktionen brauche es eine radikale Gesellschaftskritik.

Damit die inhaltliche Auseinandersetzung in Zukunft nicht zu kurz kommt, soll im kommenden Frühjahr das nächste linke Camp aufgeschlagen werden. "Da braucht es beharrliche Kärrnerarbeit", meint der als Referent geladene emeritierte Marburger Soziologieprofessor Herbert Claas.

Gesa Coordes

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