Express Online: Thema der Woche | 13. Dezember 2007

"Ein Ausrufezeichen gesetzt"

Petra Pau
Die 44-jährige Berliner Politikerin wurde am 7. April 2006 zur Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages gewählt, nachdem der ursprüngliche Kandidat der Linkspartei, Lothar Bisky, nicht die notwendige Stimmenzahl erreicht hatte.
Pau, die in den 1980-Jahren an der SED-Parteihochschule Karl Marx studierte, war bis 1990 Mitarbeiterin beim Zentralrat der DDR-Jugendorganisation FDJ, den sie nach der Wende abwickelte.
Im Oktober 1992 wurde sie zur Landesvorsitzenden der Berliner PDS gewählt. Dieses Amt bekleidete sie bis Dezember 2001 und war von 2000 bis 2002 außerdem stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende. Innerhalb der Linkspartei gehörte Petra Pau zu den so genannten Reformlinken.
kro/wikipedia
Linke-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau über die Chancen der Linkspartei bei der hessischen Landtagswahl im Januar 2008.


Express: Sind sie eine stinknormale Kommunistin? Bei der Linkspartei handele es sich um "stinknormale Kommunisten" hat Hessens Ministerpräsident Koch ja unlängst gesagt.
Petra Pau: Wenn Roland Koch nicht mehr einfällt, als die abgehalfterte Rote-Socken-Kampagne auszugraben, wird er bei der Hessenwahl am 27. Januar eine böse Überraschung erleben.

Express: Die Umfragen liegen für ihre Partei liegen zwischen 4 und 6 Prozent. Was würde es für die Linke bedeuten, wenn sie im Januar in Hessen ins Parlament und damit zum ersten Mal in einem westdeutschen Flächenland in den Landtag käme?
Pau: Die Linke wird bundesweit gebraucht. Mit dem Einzug in die Bremische Bürgerschaft haben wir ein Ausrufezeichen gesetzt. Wenn es gelingt, in Hessen und oder in Niedersachsen in den Landtag einzuziehen, dann wird erneut unterstrichen: Die Linke ist keine Eintagsfliege. In Hessen könnte unserEinzug in den Landtag außerdem bewirken, dass die Ära von Ministerpräsident Koch vorbei ist.

Express: Sie freuen sich über einen vermeintlichen Linksruck der SPD und hoffen auf Bündnisse ...
Pau: Linksruck würde ich mal in Anführungsstriche setzen. Richtig ist, dass die SPD auf ihrem jüngsten Parteitag den "Demokratischen Sozialismus" nicht aus dem Parteiprogramm getilgt hat. Ohne uns hätte sie es getan. Richtig ist, dass man sich auf einen längeren Bezug von Arbeitslosengeld I verständigt hat. Auch das wäre ohne DIE LINKE nicht passiert. Aber Vorsicht: Was SPD- und CDU-Politiker sagen, ist das eine. Was sie wirklich tun, das will ich erst sehen.

Express: SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti hat ja ein Bündnis ausgeschlossen. Würden sie einer Zusammenarbeit von SPD und Linken in Hessen trotzdem eine Chance geben?
Pau: Am Wahlabend wird erstmal gezählt, ob es für eine Regierung jenseits von Roland Koch reicht. Danach werden meine hessischen Parteikollegen sicher sehr verantwortungsbewusst über weitere Schritte oder auch Bündnisse entscheiden.

Express: Wie groß sind denn die Unterschiede zur hessischen SPD. Man hat das Gefühl, dass viele Punkte im Programm der Linken nahe bei denen der Sozialdemokraten liegen.
Pau: Wenn ich mir das Wahlprogramm der SPD in Hessen anschaue, dann gibt es einige Dinge, die ich unterstützen würde, ganz anders als bei der SPD auf Bundesebene. Zum Beispiel: Bildung. In Berlin unter Rot-Rot startet demnächst das Projekt Gemeinschaftsschule, also länger gemeinsam lernen. Warum nicht auch in Hessen? Oder: Wie kann man öffentlich geförderte Beschäftigung schaffen? Berlin hat begonnen, Hessen könnte folgen.

Express: Die Linke kündigt eine Initiative für 25.000 Arbeitsplätze im Hessen-Wahlprogramm an ...
Pau: Der Haushalt muss umgeschichtet werden. Konkret: Wir haben im Land Berlin nach langen Auseinandersetzungen durchgesetzt, dass Mittel, die bisher zur Alimentierung von Arbeitslosigkeit eingesetzt wurden, teilweise um Menschen entwürdigenden Prozeduren zu unterziehen – Stichwort Hartz IV – mit den vorhandenen Arbeitsfördermitteln zusammengelegt werden können. Und damit wird tariflich gebundene Arbeit bezahlt. Niemand wird davon reich, aber die Betroffenen haben wieder auf lange Sicht – und nicht wie bisher über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder Ein-Euro-Jobs befristet – eine sinnvolle Tätigkeit, zum Beispiel im Pflegebereich oder der Stadtteilarbeit. Das ist auch in Hessen bei politischem Willen möglich.

Express: Der Rücktritt von Pit Metz als hessischer Spitzenkandidat, dem seine ehemalige Mitgliedschaft in der DKP vorgeworfen wurde, liegt nicht lange zurück. Was kann die Linkspartei gegen das große Misstrauen tun, das ihr immer noch als vermeintliche SED-Nachfolgerpartei in den westdeutschen Bundesländern entgegenschlägt?
Pau: Ich denke, zum einen ist durch die Arbeit der Linken auf Bundes-, Landesebene und in den Kommunalparlamenten in Ost wie in West klar: keiner will die DDR wiederaufbauen. Keiner hat vor, die Zustände im realen Sozialismus der DDR als demokratischen Sozialismus zu verkaufen.
Außerdem: Polit-Importe bringen nichts. Ich kann den Wahlkampf in Hessen zwar unterstützen. Aber wir brauchen im Westen politische Eigengewächse, die sich vor Ort im Kiez und im Stadtparlament engagieren. So wächst Vertrauen und Zuspruch. Das ist übrigens eine Erfahrung, die ich vor Jahren schon als Landesvorsitzende der Berliner PDS gemacht habe. In der ehemals geteilten Stadt ist es uns so schon 1995 gelungen, in die Rathäuser im Westteil der Stadt einzuziehen.

Express: Und das hat gut funktioniert?
Pau: Inzwischen regiert Rot-Rot in Berlin auf Landesebene.

Interview: Georg Kronenberg

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