Express Online: Editorial | 4. September 2008

Gedenkstättenarbeit und Erinnerungskultur

... sind nach Ansicht von Forschern der Uni Leipzig wichtige Werkzeuge, um die NS-Verbrechen nachträglich aufzuarbeiten und um die Gefahr rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten zu senken. Dabei ist aber wichtig, nicht nur abstrakt von Schuld zu sprechen, sondern Täter und Opfer aus dem je eigenen Umfeld zu benennen.

Denn nach Ansicht der Leipziger Forscher liegt der Nährboden für rechtsextreme Tendenzen in der Mitte unserer Gesellschaft. Die Deutschen sind verbreitet ausländerfeindlich, autoritätsfixiert und demokratieunfähig, haben wahnhafte Angst davor, ausgegrenzt zu werden, und den Nationalsozialismus nie verarbeitet, so ihr Fazit.

Um die Ressentiments der Deutschen genauer untersuchen zu können, ließen die Forscher der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Uni Leipzig Gruppen diskutieren. Ihre Diagnose: Rechtsextremismus wächst auf dem Boden von Angst- und Ausgrenzungserfahrungen. Gleichzeitig zeigen sich weit verbreitete ausländerfeindliche Einstellungen, Ressentiments gegen "Asoziale" (etwa Arbeitslose) sowie eine geringe Wertschätzung der Demokratie in der deutschen Bevölkerung.

Die Erfahrung von Anerkennung und die Fähigkeit zur Empathie, – sich in andere Menschen einfühlen zu können – wirken umgekehrt schützend vor diesen Entwicklungen, so die Forscher. Darüber hinaus fordern sie eine konsequente Demokratisierung von Schulen, Betrieben und Institutionen und die Überwindung autoritärer Denkstrukturen in Gesellschaft und Familie: Demokratie fällt nicht vom Himmel, sie muss immer wieder neu erarbeitet und aktualisiert werden, damit sie erfahrbar bleibt.

Thomas Gebauer

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