Express Online: Thema der Woche | 7. Februar 2008

Genmais macht mobil

Die Uni Gießen will genmanipulierte Pflanzen in Rauischholzhausen anbauen – örtliche Bauern laufen gegen den Genmais Sturm.

Der Getreideacker der Biobauern Annemarie und Uwe Duske aus Rauischholzhausen (Kreis Marburg-Biedenkopf) liegt dem geplanten Genmaisfeld direkt gegenüber. Auf der anderen Straßenseite will die Universität Gießen ab Ende April 60 verschiedene Maissorten aussähen, darunter acht genmanipulierte Sorten.

Seit das bekannt ist, stehen die Duskes beim Protest gegen den Genmais in vorderster Front. Ausgerechnet sie haben in der Vergangenheit mit dem zur Uni Gießen gehörenden Versuchsgut Rauischholzhausen zusammengearbeitet. Auf ihren Feldern machen die Forscher Versuche mit Bio-Maissorten.

Vor 20 Jahren gehörte das Paar zu den ersten Bauern in der Region, die auf biologischen Landbau umstellten. Jetzt haben sie Protestplakate für ihren Heuwagen gemalt, der auf dem Getreideacker am Eingang des 1200-Seelen-Dorfes steht. "Die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzabstände von 300 Meter kriegen die hin", sagt Uwe Duske: "Aber es die Frage, ob sich Pollen und Bienen an die 300 Meter halten."

Der Leiter des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Prof. Wolfgang Friedt, hält dies für "weltanschauliche Diskussionen". Obwohl der Anbau dieser Maissorte erst vor kurzem in Frankreich verboten wurden, versichert er: "Von diesen Pflanzen gehen keine Gefahren aus." Im Auftrag des Bundessortenamtes plant das Versuchsgut eine so genannte Wertprüfung, das der Zulassung neuer Sorten dient. Dabei werden vor allem Ertrag und Qualität geprüft. Die Universität Gießen hat solche Tests im vergangenen Jahren auf Feldern bei Groß-Gerau und Gießen gemacht – bislang Hessens einzige Genmais-Flächen. Um die Auswirkungen auf unterschiedliche Böden zu testen, gibt es solche Versuche bundesweit an insgesamt 20 Standorten.

Während der unbewachte Acker am Gießener Stadtrand während des Festwochenendes zum Uni-Jubiläum verwüstet wurde, konnten sich die Maispflanzen bei Groß-Gerau halten. Dort wurde der umstrittene Versuch Tag und Nacht bewacht. Ob dies auch in Rauischholzhausen erforderlich sein wird, hängt von der Situation vor Ort ab, erklärt Josef Steinberger vom Bundessortenamt: "Wenn die Gefahr besteht, dass Zerstörer kommen, müssen wir etwas unternehmen." Sein Amt sei zu den Versuchen verpflichtet.

Die Universität Gießen könnte sich indes weigern, bei den Genmais-Tests zu helfen, erklärt Projektleiter Wolfgang Friedt. Doch die Kooperation mit dem Bundessortenamt bestehe schon seit mehr als 50 Jahren. Zudem gebe es auf diese Weise Anschauungsmaterial für die Ausbildung der Studierenden. Die Hochschule erhalte für die Versuche eine Aufwandsentschädigung. Die Forscher wechseln in diesem Jahr mit dem Anbau von Gießen nach Rauischholzhausen, weil sie dort mehr Platz haben. Auf dem Versuchsgut bewirtschaftet die Universität 200 Hektar. Untersucht werden Nutzpflanzen wie Getreide, Raps und Mais sowie Arzneipflanzen wie Kamille, Arnika und Baldrian.

Viele Freunde hat das neue Projekt in Rauischholzhausen nicht. Bereits Mitte der 90er Jahre versuchte die Hochschule dort schon einmal, gentechnisch veränderten Raps anzubauen. Drei Jahre lang wurde er ausgesät. Einmal wurden die Pflanzen ausgerissen, zweimal wurde so viel Unkrautvernichtungsmittel auf dem Feld gekippt, dass die Pflanzen elend eingingen.

Damit wollen die aktuellen Protestler aus dem Dorf bei Marburg natürlich nichts zu tun haben. Sie setzen auf die Aktion "gentechnikfreie Region". Und dabei werden sie nicht nur von den Grünen unterstützt – die bezeichnen den geplanten Anbau als "Skandal" –, sondern auch von den Bürgermeistern aus Marburg, Amöneburg, Ebsdorfergrund und Fronhausen. Der örtliche Bürgermeister Andreas Schulz (SPD) sorgt sich um die Landwirtschaft und das Wasserschutzgebiet, in dem die strittigen Anbauflächen liegen. "Durch die Genmanipulation werden unumkehrbare Prozesse eingeleitet", sagt Schulz. Er möchte nicht, dass seine Gemeinde zum "Versuchslabor für die Firma Monsanto" werde. Ziel des Versuchs ist es nämlich, Maissorten deutscher und französischer Hersteller zu untersuchen, die ein von dem umstrittenen US-Unternehmen Monsanto entwickeltes Gen enthalten. Diese Pflanzen wehren sich mit einem Gift gegen den Maiszünsler, einen Schmetterling, der sich von Mais ernährt.

Vor Ort wird nun versucht, möglichst viele Bauern und Betriebe zu einer Selbstverpflichtungserklärung zu gewinnen, um schon in wenigen Wochen eine "Gentechnikfreie Region" ausrufen zu können. Dass dies Auswirkungen auf die geplanten Versuche hat, ist nach Einschätzung des Bundessortenamtes allerdings zweifelhaft.

Gesa Coordes

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