Express Online: Thema der Woche | 14. Februar 2008

Kein eitel Sonnenschein

Hausbesitzer Handwerker und Gewerbetreibende mucken gegen die in Marburg geplante Solarpflicht für alle Häuser auf

Die Solarregelung der Großstadt Barcelona ist das Vorbild: Marburg will bekanntlich als erste Stadt in Deutschland Sonnenkollektoren auf Neubauten zur Pflicht machen. Doch mit der geplanten Solarpflicht für alle Häuser gerät die Stadt Marburg zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik: Viele Handwerker, Hausbesitzer, Gewerbetreibende sowie die konservativen Parteien lehnen den Plan ab, der von der rot-grünen Koalition im Marburger Rathaus vorangetrieben wird.

Eine Zwangsverpflichtung kann aus unserer Sicht nur schaden", sagt Günther Simon, von der Handwerkskammer Kassel. Wesentlich sinnvoller als eine gesetzliche Verpflichtung sei die Förderung aller regenerativen Techniken und energiesparenden Maßnahmen, so der Diplom-Betriebswirt.

Mit der geplanten Satzung werden Hausbesitzer höher bestraft als Täter nach dem Strafgesetzbuch", ereifert sich der Vorsitzende des Landesverbands der Hessischen Haus- und Grundstückseigentümer, Günther Belz. Nach dem bislang vorliegenden Entwurf müssen Hausbesitzer mit einem Bußgeld von bis zu 15 000 Euro rechnen, wenn sie ihre Dächer nicht mit einer Solaranlage ausstatten. Dass sich die Anlagen wirtschaftlich rechnen, bezweifelt Belz: "Marburg ist nicht der Breisgau mit mehr als 330 Sonnenscheintagen im Jahr." Zudem sei der Solarzwang rechtlich nicht haltbar, meint er.

Der Marburger Bürgermeister Franz Kahle (Grüne) stützt sich jedoch auf ein Gutachten einer Energierechtskanzlei. Danach ist die Solarpflicht durchaus möglich. "Dass wir damit Neuland betreten, ist uns ja bekannt", sagt Kahle. Bundesweit gibt es das Modell bislang nur für einzelne Baugebiete. Zurzeit liegt von der Marburger Satzung erst ein Entwurf vor. Danach sollen Solaranlagen auf allen Neubauten sowie auf Altbauten, deren Dach oder Heizung saniert wird, zur Pflicht werden. Alternativ ist Fotovoltaik möglich. Ausnahmen gibt es für sehr kleine verschattete Dächer sowie in der denkmalgeschützten Oberstadt.

Die endgültige Entscheidung wird im Frühjahr in der Stadtverordnetenversammlung fallen. Auch dort gibt es harsche Kritik. Von "Ökodiktatur" spricht Hermann Uchtmann von der Marburger Bürgerliste. "Wir halten nichts von dem Zwangsverfahren", sagt CDU-Parteivorsitzender Roger Pfalz. Er sieht in dem Plan vor allem eine "persönliche Profilierung" des Bürgermeisters. "Es hat den Anschein, als wolle er unbedingt der erste Grüne mit einer solchen Satzung sein."

Da versucht eine Stadt, in die Schlagzeilen zu kommen", findet Klaus Pfalzgraf, Referent für Bau- und Planungsrecht des Hessischen Städte- und Gemeindebundes. Nach seiner Einschätzung gibt es eine Rechtsgrundlage nach dem Baugesetzbuch. Ob sie ausreiche, müsse gerichtlich überprüft werden. Deshalb spricht Ruprecht Bardt von der Industrie- und Handelskammer Marburg von einem "Auftakt zu einer geradezu endlosen Geschichte von Rechtsunsicherheiten". Er fürchtet, dass die Gewerbetreibenden bei Neuansiedlungen vor der Solarpflicht in die Umlandgemeinden flüchten.

Gesa Coordes/kro