Express Online: Thema der Woche | 10. Juli 2008

Da blüht was

Bieneninstitut wird 80
Das Bieneninstitut Kirchhain feiert in diesem Jahr sein 80-jähriges Jubiläum. Gegründet wurde es 1928 vom Zoologischen Institut der Marburger Philipps-Universität, um besser über Bienenkrankheiten forschen zu können. 1966 zog die Lehr- und Versuchseinrichtung des Landes Hessen in die ehemalige Landwirtschaftsschule nach Kirchhain.
Heute kümmern sich die 15 Mitarbeiter um die Aus- und Fortbildung der 7000 Imker in Hessen. Mit Lehrgängen und Praxiskursen werden sie in die Geheimnisse der Honigbiene eingeführt. Dabei ist das Bieneninstitut auch Beratungs- und Anlaufstelle für jeden Bienenfreund sowie amtliche Untersuchungsstelle für Bienenkrankheiten. Zudem werden Honiganalysen angeboten.
In der Einrichtung werden 300 Bienenvölker gehalten, um praxisnahe Versuche zur Selektion krankheitsresistenter Bienen machen können. Größtes Problem ist die in den 80er Jahren eingeschleppte Varroa-Milbe. Unternimmt der Imker nichts gegen die Milbe, gehen seine Völker ein. In Kirchhain werden besonders widerstandsfähige Völker gezüchtet.
Gesa Coordes
Die mittelhessische Stadt Kirchhain will eine Oase für Bienen werden.

Anstelle von kurzgeschorenen Rasenflächen sollen wilde Wiesen mit Klatschmohn, Johanniskraut, Margeriten und Salbei auf Verkehrsinseln und an Straßenrändern erblühen. "Wir wollen Lebensräume für Bienen schaffen und mehr Farbe in die Stadt bringen", erklärt Bürgermeister Jochen Kirchner.

Gestartet wurde das hessenweit einzigartige Projekt mit mehreren Versuchsflächen entlang der Einfallstraßen der Stadt. Je nach Bodenbeschaffenheit blühen dort Löwenmäulchen, Rittersporn, Akeleien oder Wicken blühen.

Den Anstoß für das Aktionsprogramm gab das Hessische Bieneninstitut Kirchhain, das die sinkende Zahl der Bienen seit Jahren mit Sorge betrachtet. Noch vor zehn Jahren gab es bundesweit mehr als eine Million Bienenvölker, sagt Institutsleiter Ralph Büchler. Heute sind es noch 850 000. Das liegt nicht nur daran, dass die Zahl der Imker zurückgegangen ist – ihr Durchschnittsalter liegt inzwischen bei 63 Jahren: "Blühende Wiesen gibt es auf dem Land eigentlich nicht mehr", beklagt der Bienenexperte. Die Landwirte mähten viel zu oft und sprühten so viel Unkrautvernichtungsmittel, dass kaum noch Kornblumen und Ackerkräuter in den Getreidefeldern zu finden seien. Zudem gebe es immer weniger Brachflächen.

Das hat gravierende Konsequenzen für die Bienen: Wenn die Rapsfelder blühen, finden sie kurzfristig ein überreiches Angebot an Pollen und Nektar, doch schon ab Juni reiße es völlig ab, berichtet Büchler: "Deshalb werden sie krankheitsanfälliger."

In der Folge weist die Karte über die Verbreitung der nützlichen Insekten ausgerechnet in ländlichen Gebieten immer mehr weiße Flecken auf. Die größte Bienendichte herrscht in Städten wie Frankfurt oder Wiesbaden, wo die Bienen in Hausgärten und auf Friedhöfen während des ganzen Sommers genügend Nahrung finden. Und dort gibt es auch vergleichsweise viele Imker, die ihre Völker auf Dachterrassen und in Hinterhöfen halten. Angesichts der geringen Stechlustigkeit der Bienen sei dies heutzutage kein Problem mehr, meint Büchler.

Der Bienenmangel auf dem Land hat aber nicht nur gravierende Auswirkungen auf die Obstbauern, deren Ernte ohne Bestäubung ausbleibt und die sich deshalb schon ganze Bienenvölker mieten. Bienen sind auch die wichtigsten Bestäuber für alle anderen Blütenpflanzen. Ohne sie sei die Artenvielfalt bedroht, sagt der Experte: "Das ist ein riesiges Problem für den Naturschutz.

Vorbild für das Kirchhainer Gemeinschaftsprojekt von Stadt, Bieneninstitut und Bund für Umwelt und Naturschutz ist die schwäbische Kleinstadt Mössingen. Dort werden eintönige Grünflächen bereits seit Anfang der 90er Jahre in farbenprächtige Wiesen verwandelt. Inzwischen wirbt die Kommune mit dem Titel "Blumenstadt", verkauft eigenes Saatgut und wurde Sieger im Bundeswettbewerb "Unsere Stadt blüht auf".

Bei der Einführung des Projekts dachte Mössingen allerdings nicht an die Bienen, sondern an das Stadtsäckel. Die Blumenwiesen seien grundsätzlich preisgünstiger zu pflegen als konventionelle Rasenflächen, berichtet die Kommune.Darauf hofft natürlich auch Kirchhain. Dieser Erfolg sei allerdings erst mittelfristig zu erwarten, berichtet Bürgermeister Kirchner.

Gesa Coordes

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