Express Online: Editorial | 14. Mai 2009

Eine besondere Zeit

... der Erinnerung bietet alljährlich der Monat Mai und hier insbesondere das Gedenken an den 8. Mai 1945 als dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Europa lag in Trümmern, und die schreckliche Bilanz von sechs Jahren Krieg waren über 60 Millionen Tote. Erinnerungsarbeit und Gedenkkultur sind gerade heute wichtige Werkzeuge, um die NS-Verbrechen nachträglich aufzuarbeiten und um die Gefahr von rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zu senken.

Eindrucksvoll geschieht dies im "Zug der Erinnerung" (www.zug-der-erinnerung.eu), der angetrieben von Menschen und Bürgerinitiativen gegenwärtig durch Deutschland fährt und an die mehrere hunderttausend Kinder erinnert, die von den Nazis zwischen Oktober 1940 und Dezember 1944 deportiert wurden. Nur wenige Kinder kehrten aus den Vernichtungslagern zurück. Es waren jüdische Kinder, Sinti und Roma und Kinder von Eltern, die den Nazis Widerstand entgegensetzten. Wo haben diese Kinder gelebt und welche Zeugnisse haben sie hinterlassen?

Gleich im ersten Waggon der Spurensuche ist das Foto von Sinti-Kindern auf einer Sommerwiese in Dreihausen bei Marburg aus dem Jahr 1942 zu sehen. Am 23. März 1943 wurden sie zusammen mit neun anderen Kindern und vier Erwachsenen nach Auschwitz deportiert. Ihre Namen und Geschichten, ihre Fotos und Briefe bewahren nicht nur ihre Schicksale vor dem Verschweigen und Vergessen, sie helfen auch dabei, der Ausgrenzung von Menschen und dem Hass, dem sie ausgesetzt sind, auch in der Gegenwart mit einem klaren "Nie wieder!" entgegenzutreten.

Thomas Gebauer

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