Express Online: Thema der Woche | 12. März 2009

Stadt der gut betreuten Kinder

Gute Frauenquote
Hessenweit an der Spitze liegt Marburg bei der Betreuung der unter Dreijährigen. Mit 26 Prozent führt die Stadt vor Bad Homburg (23 Prozent) und Gießen (21,6 Prozent) und Frankfurt (20,3 Prozent). Der Landesdurchschnitt liegt bei 14,2 Prozent.
Die Frauenquote bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Marburg liegt bei 49,5 Prozent. In Westdeutschland arbeiten nur in Lübeck und Uelzen mehr Frauen. Teilzeitbeschäftigt sind 25 Prozent der Marburger Arbeitnehmer. Der deutsche Durchschnitt liegt bei 18,2 Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt bei 6,9 Prozent, darunter 6,6 Prozent Frauen und 7,2 Prozent Männer.
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Marburg ist Spitzenreiter bei Teilzeitkräften und Frauenbeschäftigung

Nirgendwo in Hessen arbeiten so viele Frauen wie in Marburg – dort ist jeder zweite Arbeitnehmer weiblich. Bundesdeutscher Spitzenreiter ist die Universitätsstadt bei der Teilzeitbeschäftigung. Jeder vierte Beschäftigte hat keinen vollen Job.

Dass dies mit der guten Kinderbetreuung in Marburg zusammenhängt, ist für den Chef der örtlichen Arbeitsmarktagentur, Waldemar Droß, völlig klar: "Der entscheidende Schub kam durch die betreute Grundschule. Dadurch tauchten die jungen Mütter auf dem Arbeitsmarkt auf." Schon in den 90er Jahren führte der damals rot-grün regierte Landkreis mit Hilfe des Arbeitsamtes flächendeckend verlässliche Betreuung in den Schulen ein. Damit ging er diesen Schritt viele Jahre vor den anderen hessischen Städten.

Aktuell ist Marburg der hessische Spitzenreiter bei der Betreuung der unter Dreijährigen. In den vergangenen Jahren hat die Kommune ihre Einrichtungen so stark ausgebaut, dass es nun für 26 Prozent der Kleinen Plätze in Krippen, Kindertagesstätten oder bei Tagesmüttern gibt. Das ist inzwischen sogar vergleichsweise günstig für die Eltern. Für einen Ganztagsplatz zahlen sie nur 139 Euro plus Essengeld. Und dies gilt auch dann, wenn sie ihr Kind bei einer Tagesmutter untergebracht haben – das kostet andernorts bis zu 600 Euro.

Der grüne Bürgermeister Franz Kahle will die Zahl der etwa 400 Plätze in diesem Jahr noch einmal um 100 steigern – drei Krippen und Kindertagesstätten werden neu gebaut. Dazu kommen Anbauten an bestehende Einrichtungen. Dann kann jedes dritte Kleinkind aufgenommen werden.

Die Stadt lässt sich das Engagement etwas kosten: 16 Millionen Euro sind im Haushalt der Universitätsstadt für die Kinderbetreuung veranschlagt. "Das ist wichtig für die Entwicklung der Stadt", sagt Kahle. Tatsächlich steigt sogar die Geburtenquote stärker als andernorts. Nachdem sie jahrelang bei 540 Babys stagnierte, stieg sie im vergangenen Jahr auf 590. Es ist aber noch nicht klar, ob es sich dabei um einen einmaligen Ausreißer handelt.

Nach dem Karriereatlas 2008 des Beratungsunternehmens Prognos gehört Marburg zu den deutschen Top-Regionen, wenn es darum geht, junge Fach- und Führungskräfte an die Stadt zu binden. Und das soll nicht nur an den hochqualifizierten Jobs in Universität, Pharmaunternehmen und Kliniken liegen, sondern auch an den Angeboten für Kinder und der Schullandschaft.

Das ist ein positiver Standortfaktor für die Betriebe", sagt Ruprecht Bardt von der Industrie- und Handelskammer in Marburg: "Frauen werden hier weniger schwer eingestellt, weil das Ausfallrisiko geringer ist."

Er verweist darauf, dass zahlreiche Unternehmen aus der Region auch selbst aktiv geworden sind: In Marburg-Marbach ist gerade eine neue Kindertagesstätte eröffnet worden, die Marburg gemeinsam mit den Nachfolgeunternehmen der Behringwerke betreibt. Für die Pharmabetriebe hat dies den Vorteil, dass sie 30 bis 40 Plätze mit Kindern ihrer Mitarbeiter belegen können. "Damit können sie auch selbst steuern, welchen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sie einen schnellen Wiedereintritt ins Unternehmen ermöglichen wollen", erklärt Bürgermeister Kahle. Zudem gab es immer wieder entsprechende Forderungen aus der Belegschaft, erzählt Bernd Schöneberg von Pharmaserv. Nach dem gleichen Konzept gibt es seit 2003 eine Kinderkrippe für das privatisierte Uni-Klinikum.

Zudem haben sich Unternehmen aus der Region mit eigenen Konzepten einen Namen gemacht: Bei der Maschinenbaufirma Aschenbrenner aus Kirchhain können sich junge Mütter einen Ausbildungsplatz teilen. Für seine Familienfreundlichkeit ausgezeichnet wurde das Marburger EDV-Systemhaus Inosoft, wo sich eine Tagesmutter um den Nachwuchs der Mitarbeiter kümmert.

Gesa Coordes


Express Online: Thema der Woche | 12. März 2009

Die Welt in Lich

Preiswürdig
Die Kulturpolitische Gesellschaft vergibt ihren Kulturpreis 2009 an die Kulturinitiative künstLich. Der Preis wird seit 1977 verliehen und versteht sich als Auszeichnung für innovative kulturelle Projekte und kulturpolitische Initiativen. künstLich stehe für einen solchen innovativen Anspruch, so die Gesellschaft. Dem Verein sei es gelungen, eine Kulturszene im ländlichen Raum zu entwickeln, die eine Lebendigkeit und Spielfreude ausstrahlt, wie sie sich manche Großstadt wünschen würde.
künstLich bilde den Motor und Ausgangspunkt der Kulturaktivitäten: mit dem ausgezeichneten Kinoprogramm vom "Traumstern", der vitalen Kleinkunstbühne, den zahlreichen Angeboten kultureller Bildung für Kinder und Jugendliche, der politischen und interkulturellen Bildungsarbeit der Bezalel- Synagoge und der beispielhaften kulturellen Netzwerktätigkeit, vor allem bei der Organisation der "Licher Kulturtage".
Die öffentliche Verleihung des Kulturpreises findet am Freitag, 13. März, ab 19 Uhr im Kulturzentrum Bezalel-Synagoge in Lich statt. Die Preisverleihung mit dem anschließenden Konzert "Eine reise nach Anatolien" ist auch gleichzeitig die Eröffnung der diesjährigen Licher Kulturtage (13.-29.März). Weitere Höhepunkte sind u.a.: "Artist's View", Konzert & Film mit Erika Stucky – Suicidal Yodels (Do, 12.3., 20 Uhr, Traumstern); die Ton-Diashow "Westafrika" von Holger Hentschel samt westafrikanischem 3-Gänge-Menü (Fr 20.3., 20 Uhr, Restaurant Savanne) und das Konzert "Nocturnes und andere Träumereien" mit dem Duo Lyrique (So 29.3., 20 Uhr, Bezalel Synagoge). Infos: www.kuenstlich-ev.de
kro
Ausgezeichnete Kultur in der Provinz: der Licher Verein künstLich

Bluesmusiker Louisiana Red war schon da. Steve Skaith von "Latin Quarter", Kabarettist Götz Widmann auch. Und Rezitator Oliver Steller kommt seit Jahren immer gerne wieder: Ins mittelhessische 14.000-Einwohner-Fachwerkstättchen Lich, dessen vielfältiges Kulturprogramm so manch einer deutlich größeren Stadt (wie beispielsweise Gießen) gut anstehen würde.

Verantwortlich für das ambitionierte Programm ist die Kulturinitiative "künstLich". Der gemeinnützige Verein wurde im Herbst 2003 von Kulturschaffenden aus dem Umfeld des Kinos Traumstern gegründet. Er hat sich den Ausbau der Bühnen-, Bildungs- und Kulturprogramme, anknüpfend an das vielfach ausgezeichnete Filmkunstprogramm des Traumsterns zum Ziel gesetzt. "Ich finde es immer wieder sehr spannend, die Welt nach Lich zu holen", sagt Peter Damm vom Vorstand des Vereins.

Da gastieren etwa die "Troubadoure Allahs" aus Pakistan bei ihrem einzigen Deutschland-Konzert in der zum Kulturzentrum umgebauten Licher Bezalel-Synagoge. Das Festival für transkulturelle Musik "SommerMusikWelten" sorgt regelmäßig für überregionale Aufmerksamkeit. Genauso gibt es aber auch ein örtliches Jugendtheater- und Kinderzirkus-Projekt.

Viel zu tun für die gerade mal zehn Vereinsmitglieder, die selbstverständlich alle aktiv seien, berichtet Damm: "Wir stemmen rund 100 Veranstaltungen im Jahr. Da steckt eine Unmenge von ehrenamtlicher Arbeit drin." Die sich freilich lohnt, findet Sebastian Hartings, der für einen wesentlichen Teil der Veranstaltungsorganisation und das Jugendtheater zuständig ist: "Viele Künstler bekommen bei uns die Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren". So sei etwa durch dem ersten gemeinsamen Auftritt von Sängerin Chiwoniso und Declan de Barra – eine musikalische Begegnung von Zimbabwe und Irland in Lich – eine kleines Tourprogramm entstanden.

Dass der Verein so viele namhafte Künstler für Auftritte in der mittelhessischen Provinz gewinnen kann, hänge viel mit der langjährigen Kulturarbeit des 1983 gegründeten Filmkunsttheaters Traumsterns zusammen, sagt Hartings. "Wir haben pro Tag vier bis fünf Anfragen von Künstlern nach Auftrittsmöglichkeiten."

Dass die schmucke Fachwerkstadt weit über die Region hinaus als Kulturspielstätte einen Namen hat – und die hochrangigen Veranstaltungen eine hohen Werbewert für die Stadt haben, ist inzwischen auch im Rathaus angekommen: "Der neue Bürgermeister Bernd Klein schätzt unser Angebot und hat auch schnell gemerkt, was das Kulturprogramm überregional an Besuchern anzieht", sagt Peter Damm. Seit dem Amtsantritt von Klein (SPD) 2008 habe es einen "radikalen Klimawandel" zugunsten des Vereins gegeben. So werde künstLich erstmals in diesem Jahr von der Stadt mit einem Zuschuss (4.000 Euro) gefördert.

Um das Programm langfristig auf dem jetzigen Niveau halten zu können, bräuchten wir aber die Finanzierung einer halben Stelle für die Veranstaltungsorganisation", weiß Damm. Immerhin liegt der Etat der für 2009 geplanten Veranstaltungen bei rund 85.000 Euro. 70 Prozent davon würden durch die Einnahmen gedeckt, der Rest durch Sponsoren und Spendengelder.

Gesa Coordes

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