Express Online: Thema der Woche | 7. Mai 2009

Rassistische Stichwortgeber

Hermann Ploppa
... hat Politik und Germanistik in Marburg studiert. Jahrelang lieferte Ploppa Beiträge für das Marburger und Gießener Magazin Express. Zudem ist er einer der Gründer von Radio Unerhört Marburg. Seit 2001 lebt er in Norddeutschland und schreibt für überregionale Zeitungen.
Hermann Ploppa: Hitlers Amerikanische Lehrer – Die Eliten der USA als Geburtshelfer des Nationalsozialismus. ISBN 978-3-9812703-0-3
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Fungierten dereinst die Eliten der USA als Geburtshelfer des Nationalsozialismus? Der Journalist und Autor Hermann Ploppa recherchierte und schrieb ein Buch über "Hitlers Amerikanische Lehrer". Buchpräsentation am Mittwoch, 13.5. im Café am Grün.

Express: In Ihrem Buch "Hitlers amerikanische Lehrer" stellen Sie die These auf, dass Elemente des deutschen Nationalsozialismus bereits um die Jahrhundertwende in den Vereinigten Staaten von Amerika vorgedacht wurden. Was bedeutet das konkret?
Hermann Ploppa: Ein Beispiel: 1903 gründeten philanthropische Stiftungen zusammen mit der Regierung der USA und den führenden Naturwissenschaftlern die American Breeders Association. Neben Pflanzen und Tieren sollte auf nationaler Ebene auch der Mensch durch biologische Manipulationen effizienter und rentabler gemacht werden. Als Königsweg zu einer menschlichen Gesellschaft ohne Krankheit, Kriminalität und Devianz sah man die Eugenik an. Es wurden Programe entwickelt und durchgeführt, durch die die Starken gefördert und die Schwachen ausgelesen, selektiert werden sollten. Die amerikanischen Menschenzüchter selektierten vornehmlich die schwachen, "unrentablen" Menschen. Die Mittel dafür waren in den US-Bundesstaaten Gesetze, die die Sterilisierung, Kastration oder lebenslange Einsperrung der Ungeeigneten ("unfit") anordneten. Diese Anstrengungen gipfelten in dem Rassenaufartungsplan der US-Bundesregierung und der Stiftungen aus dem Jahre 1914. Durch dieses Programm sollten bis zum Jahre 1985 45 Millionen US-Bürger "eliminiert" werden.
Dem lag die von angesehenen US-Wissenschaftlern vertretene Theorie zugrunde, dass die nordische, weiße und blauäugige "Nordische Rasse" ("nordic race") der nicht mehr zu übertreffende Höhepunkt der Evolution sei, und dass auf weltweitem Niveau so lange eliminiert werden müsse, bis die Vertreter der überlegenen nordischen Herrenrasse den Erdball bevölkerten. Bis zur Präsidentschaft von Franklin Roosevelt herrschte zudem in den USA ein radikaler Antisemitismus vor. Henry Ford oder Madison Grant sahen in Juden nicht nur eine "minderwertige Rasse". Sie waren der festen Überzeugung, dass "die Juden" eine Verschwörung zur Eroberung der Weltherrschaft planten.

Express: In welcher Form beeinflussten diese Forderungen und Theorien die nationalsozialistische Lehre?
Hermann Ploppa: Der Verleger Julius Lehmann übersetzte und veröffentlichte die Werke der US-amerikanischen Eugeniker in Deutschland. Das Buch "Der Internationale Jude" von Henry Ford war Schulungslektüre der NSDAP. Anhand von Textvergleichen weise ich nach, dass Hitler sein nationales Rassenaufartungsprogramm direkt aus den USA abgekupfert hat. Die deutsche Gesellschaft für Rassenhygiene hatte 1925 nichts Vergleichbares auf den Weg gebracht. Henry Fords "bakteriologische" Aufassung vom Judentum findet sich direkt in "Mein Kampf" wieder.

Express: Welche Relevanz hatten die Vorstellungen von Ford und Grant in den USA selbst?
Hermann Ploppa: Hitlers amerikanische Stichwortgeber haben wir uns keineswegs als isolierte Einzelkämpfer vorzustellen. Sie gehörten zur exklusiven Elite der Gesellschaft. Madison Grant war Mitglied und Präsident in unzähligen honorigen Wissenschaftsvereinen. Die Bücher von Grant und Ford genossen in den USA hohes Ansehen. Eugenik war Mainstream. Ungefähr so vorherrschend wie heutzutage der Neoliberalismus.

Express: Wie waren die Reaktionen auf die Veröffentlichung von "Hitlers amerikanische Lehrer"?
Hermann Ploppa: Im Großen und Ganzen positiv. Henryk M. Broder mobilisierte allerdings bereits gegen das Buch, als es noch gar nicht erschienen war. Es gibt natürlich auch Leute, die meinen, ich wollte die Naziverbrechen verharmlosen. Dass ich bislang unter den Teppich gekehrte unangenehme Wahrheiten über die USA bekannt mache, soll und kann ja nicht entkräften, dass der Holocaust einzigartig ist.

Express: Hat Ihr Buch eine Zielsetzung?
Hermann Ploppa: Wir können lernen, dass Antisemitismus, Eugenik oder Euthanasie Teil einer weltweiten Bemühung darstellt, die Menschen effektiver und rentabler zu machen. Vor einigen Jahren musste die deutsche Öffentlichkeit anhand der Stammzellen-Debatte feststellen, dass in vielen demokratischen Ländern die Eugenik unter neuem Etikett bis heute munter weiter betrieben wird. In England werden genetische Profile von Straftätern eingerichtet. In den USA legen private Krankenversicherungen genetische Datenbanken ihrer Kunden an, um Menschen mit schlechter genetischer Ausstattung mit höheren Beiträgen zu belasten. Man spricht in diesem Zusammenhang bereits von einem "genetischen Subproletariat". Der Keim zu all diesen Fehlentwicklungen wurde bereits vor hundert Jahren gelegt. Diese Keime mache ich namhaft. Damit möchte ich helfen, die Gefahren für die Zukunft besser zu erkennen und zu bekämpfen.

Interview: Michael Arlt

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