Express Online: Thema der Woche | 13. August 2009

Ziel erreicht

10.000 Kilometer auf dem Fahrrad durch Afrika für ein AIDS-Waisenhaus: Geert Schröder und Immanuel Schulz in Nakuru in Kenia angekommen

Ich muss mir auf den letzten Straßenkilometern immer wieder die Augen reiben, wenn ich die Hinweisschilder betrachte, die über die Entfernung nach Nakuru informieren. "Sind es jetzt wirklich nur noch so wenig?" frage ich mich voller Spannung. Mein Adrenalin, so glaube ich, muss mir gleich aus den Ohren spritzen. Da erblicke ich in der Ferne die ersten Häuserdächer der viertgrößten kenianischen Stadt, die das Ziel der "grenzerfahrungen"-Expedition ist. Ich freue mich riesig auf das Wiedersehen mit meinen afrikanischen Freunden, die liebevoll und hochmotiviert das von mir mitgegründete Malaika-Children's-Home betreuen, in dem inzwischen – nach einem Jahr Laufzeit – 15 Waisenkinder herumtoben.

Da bin ich an einem warmen Aprilmorgen mit meinem Partner Immanuel in Kapstadt auf die 10.000 Kilometer lange Expedition gestartet, und gleich in wenigen Minuten soll nun alles vorbei sein? Im Schnelldurchlauf rauschen nochmal die Erlebnisse der 118 Radeltage durch meinen Kopf: Wie leide ich zu Beginn der Tour unter den extremen Temperaturen Südafrikas, komme ich doch von 0 Grad und Schnee in München, wo ich das Flugzeug besteige, sofort in Temperatur-Regionen von um die 42 Grad! Wie faszinierend ist anschließend die Weite Namibias! Und dann die Begegnung mit der atemberaubenden Tierwelt Botswanas! Weiter fahre ich durch Sambia, wo ich insbesondere von den berühmten Victoria-Wasserfällen überwältigt bin. Hinüber geht es nach Malawi und entlang am malerischen Malawi-See. In Tansania dann Stück für Stück nordwärts, vorbei am Mount Kilimanjaro, ehe ich die tansanisch-kenianische Grenze erreiche. Staubig ist der Grenzübertritt in das Land, das ich gerne als meine zweite Heimat bezeichne. Denn seit dem Jahre 2000, meinem ersten Keniabesuch, bin ich schon siebenmal hier gewesen. Und das, um Waisenkindern zu helfen, die ihre Eltern wegen AIDS verloren haben.

Um nun das junge Projekt zu pushen, kam mir vor einigen Jahren die Idee, mich auf ein Fahrrad zu setzen und eine Route zu wählen, die mich durch viele südafrikanische Länder führen würde, die – wie Kenia – von der Seuche HIV/AIDS betroffen sind. Eine verrückte Idee für eine Fundraising-Aktion, mag man meinen, doch das Konzept ging auf. Viele deutsche Medien griffen mein Anliegen auf und berichteten über die "grenzerfahrungen-Expedition" sowie über das Malaika-Projekt. Mitbürger spendeten oder wurden zu Dauerförderern. Insbesondere aus Marburg trafen viele Spenden ein, ist Marburg doch der Ort, in dem die Idee des Malaika-Projektes geboren wurde. Eine kleine Projektpflanze wurde mit dem Malaika-Verein gesät, und mit der Hilfe vieler Förderer wurde in den letzten Jahren dieses Pflänzchen bewässert.

Nun rollen mein Partner und ich am 2. August auf das Gelände des Malaika-Heimes zu. Ein Polizeimotorrad mit Sirene und Blaulicht schützt uns vor dem starken Verkehr. Dann biegen wir ein in einen Schotterweg, noch 300 Meter und wir sind angekommen. "Was ist das?" Mir schießen die Tränen in die Augen. Ich bin wie vom Donner gerührt. über 250 Gäste aus der Nachbarschaft sind der Einladung unserer kenianischen Partner gefolgt und singen, tanzen, applaudieren. Ich bin sprachlos. Wie am Tag zuvor in Nairobi, als die kenianische Ministerin für Gender and Children zu einer Pressekonferenz in das 5-Sterne-Serena-Hotel eingeladen hatte. Die Ministerin höchstpersönlich gratulierte und sicherte dem Malaika-Projekt für die Zukunft ihre volle Unterstützung zu. Viele TV- und Radiosender sowie Printmedien Kenias waren gekommen und verlangten nach Interviews. über das Malaika-Projekt wurde landesweit berichtet.

Ich verbringe den bewegenden letzten Expeditions-Tag auf dem Grundstück des Malaika-Centers. Eins unserer Waisenkinder, das ich heute für lange Zeit auf dem Arm trage, ist HIV-positiv. Es ist das einzige unter all den Kindern, dessen Test nicht gut ausfiel. In all dem Trubel des Tages habe ich nochmal ganz deutlich durch sein Herzpochen und Lächeln gespürt, warum ich das alles begonnen habe.

Geert Schröder

Geert Schröder radelte mit seinem Freund, dem Expeditionsfotografen Immanuel Schulz aus Lindau. Im Zuge des "4. Marburger Lichtbildfestivals" wird Schröder den Vortrag "Kapstadt – Kenia / Fahrrad-Abenteuer Afrika" in der Marburger Stadthalle präsentieren. Infos: www.grenz-erfahrungen.blogspot.com. Spendenkonto: Malaika-Verein, Konto: 6002984100, BLZ: 43060967, GLS Gemeinschaftsbank

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