Express Online: Thema der Woche | 27. August 2009

Versuch Nummer dreieinhalb

Marburg will Weltkulturerbe werden

Die Stadt Marburg will einen erneuten Versuch unternehmen, mit ihrer historischen Altstadt, dem Schloss und der Elisabethkirche zum Weltkulturerbe zu werden: "Nicht nur Neu-Schwanstein und das Elbtal sind außergewöhnlich, auch Marburgs historische Oberstadt ist einzigartig", erklärt Oberbürgermeister Egon Vaupel. Marburg sei die erste Stadt gewesen, die Hunderte von Fachwerkhäusern sorgfältig saniert habe: "Das hatte Signalwirkung für die gesamte Bundesrepublik." Zudem gelte die Lahn bei Weidenhausen als "Klein-Venedig".

Unter Federführung des Marburger Denkmalschützers Manfred Ritter soll die Anmeldung für den Weltkulturerbe-Titel der Unesco nun vorbereitet werden. Die Stadt konkurriert dabei in Hessen mit der Kurstadt Wiesbaden, Darmstadts Mathildenhöhe und der Kasseler Wilhelmshöhe, die sich bereits beworben haben oder eine Bewerbung vorbereiten.

Allerdings räumt der Präsident des Hessischen Landesamts für Denkmalpflege, Prof. Gerd Weiß, den Marburgern kaum Chancen ein. Die Liste des Welterbes stehe offen für die Aufnahme von unterrepräsentierten Städten. Im Bereich der mittelalterlichen Städte gebe es mit Bamberg, Regensburg, Lübeck, Strahlsund und Wismar aber bereits viele Beispiele: "Vor diesem Hintergrund kann ich mir nicht vorstellen, dass die Marburger Aussicht auf Erfolg haben" sagt Weiß.

Vom "Sommertheater" spricht denn auch der Sprecher der Initiativgruppe Marburger Stadtbild und Stadtentwicklung, Claus Schreiner. Allerdings sieht er das Hindernis an einer anderen Stelle: Marburg könne den Titel nicht bekommen, weil mit dem Bau des Erlenringcenters und des Marktdreiecks am Fuß der Oberstadt das Stadtbild an einigen Stellen verbaut worden sei: "Man kann die historische Altstadt nicht aus dem Schlamm herauslösen, der sie umgibt. Das macht das Welterbe kaputt", sagt Schreiner.

Die Altstadt selbst ist davon nicht betroffen", kontert Oberbürgermeister Egon Vaupel. Auch der oberste hessische Denkmalschützer sieht in den Bausünden Marburgs nicht das entscheidende Problem.

Allerdings hat die Universitätsstadt schon zweieinhalb Mal versucht, Weltkulturerbe zu werden. Den ersten Versuch startete Marburg in den 80er Jahren – damals nur mit der Elisabethkirche, die als erste gotische Hallenkirche Deutschlands über dem Grab der Heiligen Elisabeth errichtet wurde. 1993 folgte der zweite vergebliche Anlauf mit dem Ensemble aus Elisabethkirche, Schloss und Altstadt. 2001 gab es einen neuerlichen Vorstoß. Doch die Skepsis im hessischen Wissenschaftsministerium war so groß, dass die Kommune nach einer Voranfrage frühzeitig aufgab.

Jetzt will OB Vaupel die Bewerbung mit "allen zur Verfügung stehenden Mitteln" verfolgen: "Zweieinhalb Mal keinen Erfolg zu haben, bedeutet nicht, dass man aufgeben sollte. Man muss es nur besser machen", meint das Stadtoberhaupt. Er erhofft sich von dem Titel den langfristigen Bestand des historischen Stadtbildes, mehr Sensibilität bei Neubauten, ein gestärktes "Wir-Gefühl" und mehr Bekanntheit. Sollte es nicht klappen, sei zumindest eine neue Diskussion über die Bedeutung der historischen Altstadt angestoßen worden.

Allerdings habe der Grund für frühere Ablehnungen am Aufnahmestopp der Unesco gelegen, erklärt Denkmalschützer Manfred Ritter: "Es gab nie die Ansage, dass Marburg nicht die Voraussetzungen für ein Weltkulturerbe erfülle." Ab 2011 könnten wieder Anträge gestellt werden. Und als historische Mittelstadt mit der ersten protestantischen Universität der Welt sei Marburg wirklich einmalig, sagt Ritter: "Es gibt nichts Vergleichbares in Deutschland."

Gesa Coordes


Express Online: Thema der Woche | 27. August 2009

Mehr Licht

Studie der Fachhochschule Gießen-Friedberg: Auch drinnen für Sonnenschein sorgen

Sonnenschein sorgt für gute Laune und macht munter: Die Bedeutung des Lichts für die menschliche Gesundheit und unser mentales Wohlbefinden wurde schon vielfach untersucht. Zu den biologischen Wirkungen von Licht gehört, dass es über Rezeptoren auf der Netzhaut die Tag-Nacht-Funktionen des Organismus, den so genannten circadianen Rhythmus, beeinflusst. Tageslicht unterdrückt die Bildung von Melatonin, des Stoffes, der uns müde werden lässt. Ist die tägliche Lichtdosis zu gering, kann es zu Schlafstörungen oder sogar depressiven Verstimmungen wie der saisonal bedingten "Winterdepression" kommen.

Vor allem ältere Menschen sind aus mehreren Gründen durch Tageslichtmangel gesundheitlich gefährdet. Bei Demenzkranken beobachtet man Störungen des circadianen Rhythmus besonders häufig. Mit dieser Problematik befasste sich ein auf drei Jahre angelegtes interdisziplinäres Forschungsprojekt, das vom österreichischen Wirtschaftsministerium und dem Land Wien gefördert wurde. Prof. Dieter Lorenz, Arbeitswissenschaftler an der Fachhochschule Gießen-Friedberg, hat daran mitgearbeitet. Sein Forschungsinteresse galt dabei der Wirkung von Kunstlicht-Beleuchtungssystemen mit "Tageslichtlampen". In der Untersuchung ging es zunächst darum zu überprüfen, welche Faktoren – Beleuchtungsstärke oder spektrale Zusammensetzung, und hier vor allem der biologisch wirksame Blauanteil im Licht – sich positiv auswirken.

Im Rahmen einer Grundsanierung ergab sich im Altenheim St. Katharina in Wien die Möglichkeit, auf der neu eingerichteten Demenzstation Lichtdecken, mit denen unterschiedliche Lichtsituationen erzeugt werden können, zu installieren und die Einflüsse auf die Bewohner zu untersuchen. Um eine biologische Wirkung von Innenraumlicht zu erzielen, ist es notwendig, dass sich die Beleuchtung der Tageslichtqualität annähert. Bei konventionellen warmweißen oder neutralweißen Lichtquellen wäre das nur bei drastisch erhöhter Helligkeit und damit deutlich steigendem Energieaufwand erreichbar. Deshalb wurde eine neuartige Kombination verwendet, die es ermöglicht, die Farbtemperatur und die Beleuchtungsstärke in einem sehr weiten Bereich einzustellen und dynamisch zu steuern.

Das Durchschnittsalter der überwiegend weiblichen Bewohner dieser Station lag über 88 Jahren. Alle litten an einer Demenz, die eine selbständige Lebensführung ausschloss. Während unterschiedlicher Lichtsituationen wurde das Verhalten der Probanden beobachtet, dokumentiert und ausgewertet. Dabei interessierten insbesondere deren Kommunikation und Interaktion untereinander sowie mit den Pflegekräften. Die Daten wurden über einen Beobachtungszeitraum von insgesamt 14 Monaten erhoben. Das von Prof. Lorenz geleitete Team ermittelte einer Reihe signifikant positiver Effekte. Dazu gehört, dass die Bewohner bei tagähnlichen Lichtverhältnissen merklich reger als bei herkömmlicher Innenraumbeleuchtung mit dem Pflegepersonal kommunizieren und sich in Gruppen von mehreren Personen austauschen. Dabei ist vor allem nachmittags ein Anstieg der Aktivität zu beobachten. Auch bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten und Gemeinschaftsaktionen (Basteln, Spielen, Singen) zeigten die Bewohner in den geschaffenen Lichtsituationen einen deutlich höheren Grad der Beteiligung.

Die Ergebnisse weisen nach Auffassung von Prof. Lorenz darauf hin, dass sich die Lebensqualität bei höherer Beleuchtungsstärke mit einem tageslichtähnlichen Spektrum der Lampen für die Bewohner spürbar verbessert. Ein Folgeprojekt in St. Katharina soll überprüfen, ob diese positiven Effekte auch bei schwächerer Beleuchtung erreicht werden können. Die Untersuchungen sollen in weiteren Altenheimen in Österreich und der Schweiz fortgesetzt werden.

pe/kro

Archiv 2009 >> 2008 >> 2007 >> 2006 >> 2005 >> 2004 >>


Copyright © 2009 by Marbuch Verlag GmbH