Express Online: Thema der Woche | 22. Oktober 2009

Unter Bären

Der Schweizer Naturfotograf Thomas Sbampato eröffnet den 2. Gießener Abenteuer-Tag mit seiner Lichtbildshow "Kanada/Alaska" am Sonntag, 1.11., um 14 Uhr in der Kongresshalle Gießen

Express: Für Ihre Bilder bereisen Sie Kanada und Alaska. Woher kommt die Faszination für den arktischen Norden?
Thomas Sbampato: Vom arktischen Norden träumte ich schon als Kind. Es ist die Weite, Freiheit und das Abenteuer, von dem ich mich angezogen fühle. Heute ist diese Wildnis zu meiner zweiten Heimat geworden.

Express: Entgegen landläufiger Meinung sind z.B. wildlebende Bären alles andere als harmlose Kuschelteddys. Sind Sie bei Ihrer Arbeit schon einmal in brenzlige Situationen gekommen?
Thomas Sbampato: Insgesamt weilte ich bis anhin mehr als ein halbes Jahr unter Bären, und in dem Zeitraum ist es nur ein einziges Mal zu einer wirklich gefährlichen Situation gekommen. Allerdings war es ganz alleine mein Fehler. Ich nervte eine Bärin so lange mit meiner Fotopräsenz, dass sie sich ohne Vorwarnung umdrehte und auf mich zuschoss. In solchen Situationen muss man unbedingt stehen bleiben, denn ein Bär ist so schnell wie ein Rennpferd, keine Chance also weg zu rennen. Die Bärin richtete sich vor mir auf, wollte mich ins Gesicht beißen, ich schrie sie an, und damit hatte die Bärin nicht gerechnet. Sie ließ sich auf ihre vier Pfoten nieder und schritt in einem engen Halbkreis um mich herum, starrte mich dabei immer wütend an und bereitete sich auf den nächsten Angriff vor. Aber halt – wie die Geschichte weitergeht, erzähle ich im Diavortrag in der Kongresshalle ...

Express: Auch Biologen beobachten Tiere in freier Wildbahn unter teilweise extremen Bedingungen. Worin unterscheidet sich davon die Arbeit des Naturfotografen?
Thomas Sbampato: Wenn es um das Verhalten der Bären geht, dann sitzen Biologen normalerweise weit weg vom Ort des Geschehens und beobachten die Szene wenn immer möglich mit dem Fernglas, um die Interaktion der Bären nicht zu stören. Durch die sich ständig wiederholenden Vorgänge erhalten sie so ein Verhaltensmuster der Spezies. Zudem untersuchen die Biologen die Ausscheidungen, Haare usw. der Bären und bestimmen so ihre DNA, das Alter und den Gesundheitszustand.Etliche Erkenntnisse aus dem Feld dienen dann z.B. Zoos, Aufzuchtstationen und Ansiedlungsprojekten, etwa in den Alpen. Der Fotograf hingegen will ja möglichst gute Fotos schießen und sitzt dabei mitten im Geschehen. Unweigerlich beeinflussen wir mit unserer Präsenz das Verhalten der Bären. Allerdings: Ein wirklich gutes Bild entsteht erst dann wenn die Tiere die Präsenz des Fotografen gar nicht mehr wahrnehmen. Das heißt, ich liege zum Teil stundenlang immer am gleichen Ort und versuche so buchstäblich langsam in der Landschaft zu verschwinden.

Express: Sie machen spektakuläre Tierbilder und zeigen eine grandiose Natur. Transportieren ihre Fotografien neben der Schönheit eine Botschaft?
Thomas Sbampato: Berührende Naturaufnahmen helfen enorm, das Verständnis für die Wildnis zu fördern, und dies ist das wichtigste Anliegen für mich. Ich gehe davon aus, dass wer die Schönheiten erkennt weiß, was er zu verlieren hat. Zudem arbeite ich mit dem WWF zusammen im Projekt Ursina, das zur Lebensraumerhaltung der Braunbären in den Alpen dient. Außerdem ist es sehr wichtig für mich, mit meinen Bildern die Kinder zu erreichen, denn sie entscheiden, was mit unserer Natur in Zukunft geschieht. Ich halte Vorträge über Bären in Schulen, veröffentliche Kinderbücher, und selbstverständlich ist auch die Diashow Kanada – Alaska kindgerecht ab sieben Jahren ausgelegt.

Express: Was zeichnet ein gutes Naturfoto aus?
Thomas Sbampato: Ein gutes Bild muss mich berühren, eine Botschaft transportieren und – ganz wichtig – die Würde und den Geist des Tieres einfangen. Ich sehe es bei den Vorträgen an den Reaktionen der Leute immer wieder, die bei einigen Bildern spontan alle gleich mit Lachen, Erschrecken oder Erstaunen reagieren.

Thomas Sbampato wurde 1962 in Zürich geboren. Nach Abschluss seiner Ausbildung führte ihn sein Beruf als Fotojournalist fast 20 Jahre lang auf vier Kontinenten in die verschiedensten Länder. Seit 1997 ist er auf Alaska und Kanada spezialisiert. Sbampatos Bilder erschienen in Magazinen, Zeitungen, Kalendern und vielen anderen Printmedien weltweit und wurden mehrfach international prämiert. 2005 wurde er von der BBC in London im weltweit renommierten Wettbewerb der Naturfotografen ausgezeichnet.

Interview: Michael Arlt

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