Express Online: Thema der Woche | 3. Dezember 2009

Am Verhandlungstisch

Bildungsstreik-Update: Unileitung verhandelt mit Studierenden / Nächste Verhandlungsrunde am Freitag

Seit Mittwoch vergangener Woche liegen die Forderungen auf dem Tisch: Rund 2.000 Studierende der Gießener Universität haben auf einer Vollversammlung der von studentischen Arbeitsgruppen in den Tagen zuvor ausformulierten "Gießener Erklärung" zugestimmt. Darin fordern die gegen den "Prüfungs- und Leistungsterror" der Bologna-Reform protestierenden Studenten unter anderem einen Rechtsanspruch für alle Bachelor-Absolvierenden auf einen Masterstudienplatz – unabhängig von der Bachelor-Abschlussnote, die Abschaffung bundesweiter Studienzugangssperren, ein elternunabhängiges BaföG für alle Studierenden sowie die Streichung des Verwaltungskostenbeitrags für Studenten. In der 14-seitigen Erklärung, die sowohl an den Bund, das Land, die Universität und die einzelnen Fachbereiche gerichtet ist, sprechen sich die Studenten außerdem für die Abschaffung der Anwesenheitspflicht und die Anerkennung im Ausland erworbener Studienleistungen aus. Kritik üben sie an Drittmittelfinanzierungen der Uni etwa durch Unternehmen.

Donnerstag vergangener Woche wurde die Erklärung Univizepräsident Joybrato Mukherjee überreicht. Anschließend demonstrierten etwa 1.500 Studierende mit einem Protestzug durch die Gießener Innenstadt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verschaffen.

Das Präsidium der Justus-Liebig-Universität, das von Beginn des Bildungsstreiks an wiederholt seine Gesprächs- und Diskussionsbereitschaft betont hat, sitzt seit Ende vergangener Woche mit den streikenden Studenten am Verhandlungstisch. Drei Gespräche hat es inzwischen gegeben. Das nächste ist für diesen Freitag, 4. Dezember, geplant.

Noch-Univize Joybrato Mukherjee, der am 16. Dezember von Stefan Hormuth das Amt des Unipräsidenten übernimmt, betonte, dass die Gießener Hochschule bereits in der Vergangenheit gezeigt habe, dass sie die Anliegen und Wünsche ihrer Studierenden ernst nehme. "Die Universität hat ihre Fähigkeit zu zügigem Handeln vielfach bewiesen", sagte Prof. Mukherjee. Zahlreiche Maßnahmen zur Flexibilisierung der Studiengänge seien bereits in einem ersten "Weiterentwicklungspaket" in den vergangenen Monaten durch die Gremien gebracht worden. Sie würden unter anderem in vielen Studiengängen die Anzahl der Prüfungen und der zu benotenden Module deutlich absenken. "Wir sind bereit, den Bologna-Prozess an der JLU gemeinsam mit den Studierenden und Lehrenden und in den zuständigen Gremien weiterzuentwickeln, um Freiheiten in Studium und Lehre zurück zu gewinnen", unterstrich Mukherjee.

Das Uni-Präsidium geht davon aus, dass sich die weiteren Gespräche konstruktiv gestalten und in gegenseitigem Vertrauen stattfinden werden: "Wir gehen ebenfalls davon aus, dass alle Mitglieder der Universität ein großes Interesse daran haben, dass – unabhängig von der anstehenden Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses an der JLU – der ordnungsgemäße Lehrbetrieb für alle Studierenden an der gesamten Universität so schnell wie möglich wieder sichergestellt werden kann", sagte Prof. Mukherjee. Er dankte den Universitätsmitgliedern für ihr besonnenes Verhalten in den vergangenen Tagen.

Während Anfang dieser Woche der Bildungsstreik an den hessischen Hochschulen mit neuen Besetzungen von Unigebäuden in Frankfurt und Darmstadt nochmal an Fahrt gewonnen hat, mehrten sich in Gießen bis Redaktionsschluss (Dienstag) auch die kritischen Stimmen. So wurde im Internet-Streikforum "protest-giessen.de" kontrovers über den weiteren Sinn der teilweise sei drei Wochen andauernden Institutsbesetzungen diskutiert: "Die weitere Besetzung der Häuser sorgt meiner Meinung immer mehr dafür, dass sich Studenten vom Streik abwenden, da die Lücke des verpassten Stoffes so groß wird, dass sie nicht mehr einfach aufzuholen ist", kommentierte dort beispielsweise ein Student.

Weitere Infos: http://protest-giessen.de/, http://twitter.com/giessenstreikt, http://kunst-im-streik.de.vu/

Georg Kronenberg

Express Online: Thema der Woche | 3. Dezember 2009

Erste Frau an der Spitze der Uni Marburg

Philipps-Universität
Gründung: 1527 durch Landgraf Philipp, den Großmütigen
Studierende: 21.200, davon 3.150 Mediziner, 1.570 Juristen, 1.440 Pädagogen, 1.030 Wirtschaftswissenschafter, 840 Chemiker, 820 Psychologen, 800 Pharmazeuten, 600 Geografen, 360 Theologen und 260 Philosophen. 2.480 Studierende kommen aus dem Ausland.
Beschäftigte: 3.500 (ohne Klinikum), davon 350 Professoren und 1.900 andere Wissenschaftler.
Soziales: Der typische Marburger Student ist 24 Jahre alt, ledig, aber in fester Partnerschaft. Spitzenreiter ist er bei seiner Vorliebe für Wohngemeinschaften. 42 Prozent der Studierenden leben in einer WG (Bundesdurchschnitt 25 Prozent)
Berühmte Studenten: Der Komponist Heinrich Schütz, der russische Universalgelehrte Michail Lomonossow, die Brüder Grimm, die PhilosophenOrtega y Gasset und Hannah Arendt, die Dichter Boris Pasternak und Gottfried Benn, der Philologe Konrad Duden, der Chemiker Otto Hahn, die Terroristin Ulrike Meinhof, der ehemalige griechische Ministerpräsident Kostas Simitis sowie die Politiker Wilhelm Liebknecht, Gustav Heinemann und Hans Eichel.
gec
Dier Favoritin hat sich durchgesetzt. Die neue Präsidentin der Marburger Philipps-Universität heißt Katharina Krause

Überraschend eindeutig setzte sich die 49-jährige Kunsthistorikerin bereits im ersten Wahlgang mit 26 von 34 Stimmen gegen fünf Konkurrenten durch. Damit wurde erstmals in der Geschichte der ältesten protestantischen Universität eine Frau ins Präsidentenamt gewählt. Sie löst den Ökonomen Volker Nienhaus ab, der nicht wieder kandidiert hatte: "In diesen unruhigen Zeiten ist das eine starke Bestätigung der bisherigen Arbeit und ein gutes Signal nach außen", freute sich Nienhaus, der zu seiner Familie ins Ruhrgebiet zurückkehren wird. Sehr zufrieden äußerte sich auch Asta-Vorsitzende Anna Schreiber, die gleich den Forderungskatalog der Studierenden übergab.

Die in Schlüchtern geborene und in Marburg aufgewachsene Krause gehörte neben Chemiedekan Gernot Frenking zu den beiden hochschulinternen Kandidaten. Der 63-jährige Frenking, der sich vor allem als "verlängerter Arm der Fachbereiche" empfohlen hatte, erhielt vier Stimmen. Für den Historiker Burghart Schmidt votierten ebenfalls vier Senatsmitglieder. Der 47-Jährige Vizepräsident von Montpellier hatte sich beim "Vorsingen" mit einer begeisternden Rede präsentiert. Keine Stimme erhielten der Politikwissenschaftler Hans-J. Lietzmann aus Wuppertal, der Mathematiker Heinz Siedentop aus München und der Anglist Dieter A. Stein aus Düsseldorf.

Für Krause sprach vor allem ihre Erfahrung als Vizepräsidentin der Philipps-Universität. Sie habe bereits bewiesen, dass sie die Universität bei Bauplanung, Finanzen und Drittmittelprojekten gut vertreten könne, hieß es. "Ich bin außerordentlich beeindruckt von dem überwältigenden Ergebnis der Abstimmung", bedankte sich Katharina Krause.

Die Expertin für französische Kunst und Architektur ist auf die Marburger Elisabethschule gegangen, bevor sie an den Universitäten Marburg, München und der Pariser Sorbonne studiert sowie in Paris, Stockholm, Rom und Wien geforscht hat. Seit 1996 ist sie Professorin an der Marburger Philipps-Universität, wo sie mehrfach Dekanin ihres Fachbereichs war. Rufe nach Köln und Münster lehnte sie ab. Seit Jahren arbeitet sie intensiv in der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit.

Die sechsjährige Amtszeit der neuen Präsidentin beginnt im Februar. Auch für die Posten der Vizepräsidenten sind Neuwahlen nötig: Babette Simon wechselt als Uni-Präsidentin an die Carl-von-Ossietzky-Universität nach Oldenburg. Vize Gerhard Heldmaier scheidet aus Altersgründen aus, Michael Schween kehrt in den Fachbereich Chemie zurück.

Gesa Coordes

Archiv 2009 >> 2008 >> 2007 >> 2006 >> 2005 >> 2004 >>


Copyright © 2009 by Marbuch Verlag GmbH