Marburg mit. Wir haben das Ziel, diese Menschen auch stärker in die Abläufe einzubinden. Aktuell agieren wir als freie Podcastgrup- pe, ohne Vereinsstruktur. Wir ha- ben aber auch schon Anfragen von Soli-Vereinen, unter deren Dach wir schlüpfen können. Mal sehen ... Was steht auf dem Programm? Michael Heuser: Bisher Kunst, Kul- tur, Klima, Soziales. Aber auch Po- litisches in Marburg und darüber hinaus war schon Thema. Doch das Programm entwickelt sich ja mit jedem Mitstreiter, so dass es immer weiter wachsen und gedei- hen kann. Martin Schäfer: Genau. Wir be- kommen viele Anfragen, vom Mit- machen bis zu interessanten The- menvorschlägen. Leider schaffen wir die Fülle ehrenamtlich nicht so gut. Wir gehen also ganz klar auch von unseren Interessen und unse- rem Zeitbudget aus. Wenn wir et- wa einen Tipp aus dem Danni zu einer Geschichte bekamen, dann kann es auch ganz schnell gehen: Das Interview zum jüngsten Poli- zeieinsatz am Mittag geführt und abends online. Wer kann mitmachen? Michael Heuser: Jeder, der Inter- esse daran hat und sich auspro- bieren möchte. Dank der Mittel, die wir aus einer Förderung der Stadt bekommen haben, sind wir - oder besser gesagt Marburg, also ihr alle da draußen - jetzt mit aus- leihbarer Technik ausgestattet, die für jeden zugänglich ist. Durch das Equipment zum Selberma- chen braucht keiner außen vor bleiben. Wie ist die Resonanz? Michael Heuser: Viel besser als er- wartet! Wobei ich zugeben muss, dass wir es noch nicht mal so ge- nau sagen können, da viele Zahlen im Internet sehr tückisch für Laien sein können. Aber wesentlich wichtiger ist die persönliche Re- sonanz, die man direkt von Betei- ligten oder Hörern bekommt. Martin Schäfer: Naja, es gibt schon Podcast-Folgen, da hören nur acht bis zehn Menschen rein. Das hängt von der Brisanz und der Aktualität des jeweiligen The- mas ab. Top-Themen hatten drei- stellige Abrufe, also deutlich über 500. Das ist schon mal was ... Was läuft gut, wo gibt es Probleme? Michael Heuser: Wir sind noch am Aufbau, deswegen läuft vieles noch nicht perfekt. Ja, und auch die Technik für Interviews ohne Kontakt ist noch nicht zufrieden- stellend ... Auch Social Media hat noch Luft nach oben. Jeder, der denkt, das kann man noch besser machen, ist eingeladen mitzu- helfen. Gibt es vergleichbare Initiativen? Michael Heuser: Bestimmt. Ähnli- che Formate entstehen gerade überall. Politik und Medien haben es soweit gebracht, dass die Men- schen überall sehen, dass sie sich selbst organisieren müssen. Das blinde Vertrauen ist verspielt, und die Menschen fangen an, mehr selbst zu denken, Verantwortung zu tragen und zu handeln. Martin Schäfer: Ich kenne nichts vergleichbares. Der Knackpunkt ist ja, dass unsere Zielgruppe ganz klar auf Marburg, dem Land- kreis und Mittelhessen liegt. Das grenzt zwar schon die Hörer- schaft ein, aber verleiht auch die Freiheit, regionale Themen überall auf der Welt hören zu können. Wie finanziert sich das Ganze? Martin Schäfer: Wir sind privat zu- nächst einmal in Vorleistung ge- Zum Selbermachen: In den ausleihbaren Podcast-Taschen kommt die benötigte Technik. Foto: Michael Heuser gangen und hoffen, den weiteren Ausbau mit Fördergeldern voran zu treiben. Für unsere Beiträge sind wir mittlerweile gut ausge- stattet, und auch erste Technik zum Ausleihen ist da. Der Rest wird wachsen, wie es sich ergibt ... Wo liegen die Grenzen der Kulturver- mittlung über Podcasts? Michael Heuser: Ganz klar auf der Gefühlsebene. Künstler erreichen ihr Publikum nicht mehr direkt und bekommen keine gute Reso- nanz durch Zahlen und Kommen- tare. Und den Menschen, dem Pu- blikum, geht die soziale Zusam- menkunft verloren, die sie bei richtigen Veranstaltungen vor Ort erleben können. Jetzt in der Krise ist Podcast eine gute Krücke zum Überleben. Doch eine Kulturver- anstaltung mit Zusammentreffen wird dadurch nicht ersetzt. Nach der Krise werden die Strukturen weiterhin bleiben, und die Kultur hat an Fülle und Qualität gewon- nen. Martin Schäfer: Ich sehe da erst- mal keine Grenze! Die einzige Grenze ist die, dass wir ohne Bild arbeiten. Töne, Sprache, Stimme sind so grundlegend, dass sie dein Innerstes viel direkter ansprechen und triggern als Filmchen. Ich hät- te mich z. B. gefreut, einen Pod- cast mit einer Clownin zu machen, die ansonsten auf der Bühne rein gar nichts sagt. Wie bringt die eine Stimmung nun über Hören rüber? Hat aber nicht geklappt. Ein Zau- berer steht noch an, Kunststücke am Mikrofon zu machen. Da bin ich gespannt. Und wer mal unsere Folge über Hölderlin gehört hat, an der vier Kreative aus Marburg mitgemacht haben, der erfährt di- rekt, was Sprache und Podcasts können. Wie geht es weiter? Michael Heuser: Hoffentlich mit vielen Mitstreitern. Wir sind noch am Aufbau, und ich finde Wege auch wichtiger als Ziele. Wir ma- chen weiter und ihr kommt dazu, wenn ihr mögt. Kurz zu Euch ... Michael Heuser: ... ist Fleischer- meister a.D., Kulturschaffender und arbeitet neuerdings im „kaufs lose“-Laden. Er hat, inspiriert durch das Netzwerk Klima-Bünd- nis und die Initiative „Stinknorma- le Superhelden“, seinen Weg neu ausgerichtet, damit er für sich und alle verträglicher wird. Privat macht er gerne Quatsch, schreibt Gedichte und hatte vor Corona mit seiner Schreibgruppe zwei Of- fene Bühnen in Marburg: „System- verdichtung“ in Zusammenarbeit mit Theater GegenStand und „Kreativ Couching“ in Zusammen- arbeit mit dem Jugendhaus Com- pass. Martin Schäfer: ... ist Journalist in Marburg. Eigentlich Print und On- line verhaftet. Im Podcast hat er eine neue Stimme gefunden. Interview: Michael Arlt Informationen Kontakt: menschen.aus.marburg @gmail.com, Podcast „Stadtge- spräch Marburg“: auf Spotify, Google Podcast, iTunes/Apple Podcast, Deezer Literatur im Garten: Der Marburger Erzählkünstler Philipp Layer spricht im Stadtgespräch über Hölderlin. Foto: Martin Schäfer 11