Sind die Reptilien ein Grund zur Panik?
Ein Rascheln im Gebüsch, ein flüchtiger Schatten – im Sommer lassen sich Schlangen in hessischen Gärten häufiger blicken. Für viele Menschen ist die Begegnung mit den scheuen Tieren ungewohnt. „Wir erhalten immer wieder Anfragen zu Schlangen in Gärten“, erklärt NABU-Landesvorsitzender Maik Sommerhage. Dabei seien die heimischen Arten weitgehend ungefährlich. „Die häufigsten hessischen Schlangen, die Ringelnatter und die Schlingnatter, haben keine Giftzähne. Sie verschlingen einfach ihre Beute, die meist aus Eidechsen, Mäusen, Fröschen oder Insekten besteht“, so Sommerhage. Die Tiere seien scheu und zögen sich meist zurück, sobald sich Menschen nähern. „Eine Schlange im Garten ist also absolut kein Grund zur Sorge, auch nicht, wenn man Kinder oder Haustiere im Garten hat.“
Statt Panik empfiehlt der NABU, den Tieren ihren Lebensraum zu lassen – denn dieser wird zunehmend knapp. Die Zerstörung naturnaher Landschaften und der Einsatz von Pestiziden setzen den Schlangen massiv zu. „Die Ausräumung der Landschaft hat die Nattern und Ottern vielerorts selten werden lassen. Der massive Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft verringert noch zusätzlich ihre Nahrungsgrundlage“, erklärt Sommerhage. Alle in Hessen lebenden Schlangenarten stehen mittlerweile auf der Roten Liste.
Wer helfen möchte, kann seinen Garten schlangenfreundlich gestalten. Dazu gehören Sonnenplätze, Verstecke, strukturreiche Ecken mit Reisig, Holz oder Steinen – aber auch feuchte Bereiche. „Bitte helfen Sie uns dabei, diesen tollen Tieren wieder mehr Lebensraum zu bieten. Weil Schlangen sich neue Lebensräume kriechend erschließen, ist es wichtig, dass sie leicht zwischen den Grundstücken wechseln können“, appelliert Sommerhage. „Mit der Anlage von Holz-, Stein- und Komposthaufen an sonnigen Plätzen schafft man ideale Brutmöglichkeiten für die Ringelnatter.“

Auch Wasserversorgung sei wichtig: Schlangen brauchen Feuchtigkeit zum Überleben. Besonders bei Hitze kann Wassermangel gefährlich werden. „Damit sich die alte Haut komplett lösen kann, müssen Schlangen eine Flüssigkeit zwischen alte und neue Haut pumpen. Wassermangel bei Hitze und Trockenheit kann dazu führen, dass Hautteile verkrusten und die Schlange im schlimmsten Fall irgendwann eingeht“, warnt Sommerhage. Die Tiere häuten sich bis zu sechsmal jährlich – Jungtiere häufiger als ältere.
Rechtlich sind alle hessischen Schlangenarten geschützt. Sie dürfen nicht gefangen, gestört oder getötet werden. Auch Eier und Gelege stehen unter Schutz. Maik Sommerhage erklärt: „Schlangen sind scheu. Keine der in Hessen heimischen Arten ist aggressiv. Sie können nicht hören und fliehen bei Bodenerschütterungen meist schnell. Jedoch sollte man Schlangen nicht in die Enge treiben oder festhalten. Dann verteidigen sie sich, je nach Art, mit Scheinangriffen, einem Schuss aus der ‚Stinkdrüse‘ oder auch mit einem richtigen Biss.“
Fünf Schlangenarten leben in Hessen. Nur eine davon – die Kreuzotter – ist giftig. Sie kommt jedoch nur noch sehr selten vor, etwa im Spessart, in der Rhön und im Werra-Meißner-Kreis. Die Äskulapnatter, eine ungiftige Art, bewohnt warme Hänge im Rheingau und südlichen Odenwald. Sommerhage betont: „Wer eine Schlange in seinem Garten findet, kann in der Regel davon ausgehen, dass es sich um eine harmlose Ringelnatter oder Schlingnatter handelt.“ Ihre Anwesenheit sei sogar ein Zeichen für einen intakten Naturgarten.
Die Ringelnatter ist die am weitesten verbreitete Art. Bis zu 1,50 Meter lang, lebt sie vor allem in der Nähe von Gewässern. Erkennbar ist sie an den halbmondförmigen gelben Flecken hinter dem Kopf. Die Barrenringelnatter, eine 2017 genetisch identifizierte Art, unterscheidet sich durch dunkle Streifen und kann bis zu zwei Meter lang werden. Die Schlingnatter bewohnt vor allem trockene, sonnige Hänge und lebt überwiegend von Eidechsen und Kleinsäugern. Auch sie ist harmlos.
Die seltene Kreuzotter erreicht eine Länge von bis zu 90 Zentimetern. Ihr Biss ist giftig, jedoch nur in Ausnahmefällen gefährlich. Erkennbar ist sie an ihrem dunklen Zickzackmuster und den senkrechten Pupillen. Die Äskulapnatter wiederum, die ebenfalls etwa 1,50 Meter lang werden kann, bevorzugt alte Weinberge und Trockenmauern und ernährt sich von Mäusen und kleinen Vögeln.
Keine Schlange im engeren Sinne ist die kupferfarbene Blindschleiche. Sie ähnelt einer Schlange, gehört aber zur Familie der Echsen. Ihre bevorzugte Nahrung: Regenwürmer und Nacktschnecken. Auch sie ist völlig ungefährlich.
pe/MiA