Soll die „Dr.-Josef-Gutmann-Straße“ am Fuß der Amöneburg umbenannt werden? Darüber entscheiden die Bürger der Kleinstadt parallel zur Bundestagswahl.
Die Menschen aus Amöneburg wählen am kommenden Sonntag nicht nur den Bundestag. Sie entscheiden zugleich darüber, ob die Dr.-Josef-Gutmann-Straße umbenannt wird. Gestritten wird über die 400 Meter lange Straße am Fuß der Amöneburg seit 15 Jahren. Viermal hat die Stadtverordnetenversammlung die Umbenennung der Straße abgelehnt. Jetzt können die Amöneburger selbst entscheiden, ob der ehemalige Schulleiter der Stiftsschule und Priester Josef Gutmann (1913-1997) weiterhin als Namensgeber geehrt wird.
Angestoßen worden war der Streit von ehemaligen Schülern. Sie berichteten von exzessiver Gewalt, bewusstlos geschlagenen Kindern, Tritten am ganzen Körper, ständig geschwollenen Gesichtern und von einem Priester, der bis zur Erschöpfung auf Jungen und Mädchen einprügelte. Gutmann hatte das Amöneburger Gymnasium bis 1964 zwölf Jahre lang geleitet. Trotz der Prügel-Vorwürfe wurde die Straße 1977 nach ihm benannt. 2010 lehnte es die mehrheitlich konservative Stadtverordnetenversammlung des katholischen Städtchens ab, sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen.
Seitdem wurden die Gewalttaten gegen die Schüler ausgiebig aufgearbeitet und belegt. Sowohl die Stiftsschule als auch das Bistum Fulda distanzierten sich von den Taten Gutmanns. Trotzdem scheiterte die SPD zuletzt im Februar 2024 bei ihrem Versuch, die Straße umzubenennen. Die Mehrheit im Stadtparlament wollte auch die Verdienste des ehemaligen Schulleiters berücksichtigt wissen. Zudem waren einige Anwohner gegen die Umbenennung, obwohl ihnen pauschal 150 Euro für eventuelle Kosten gezahlt werden sollten. Stattdessen sollte eine Hinweistafel ausreichen, in der sowohl die Verdienste als auch die Prügel-Vorwürfe thematisiert werden sollten.
Das wollten die Opfer des Lehrers gemeinsam mit einer Gruppe von Aktiven nicht hinnehmen: „Die mit dem Straßennamen ausgedrückte Ehrung für einen Kinderschläger finden wir unerträglich“, sagt Carsten Kamphausen. Er ist der Sprecher der Bürgerinitiative, die 683 Unterschriften für ein Bürgerbegehren sammelte, um über den zukünftigen Namen der Straße zu entscheiden. Das Begehren wurde zwar trotz der zahlreichen Unterstützer aus formalen Gründen abgelehnt, doch auch im Amöneburger Magistrat gab es inzwischen ein Umdenken. Deswegen werden die Wahlberechtigten nun doch befragt.
Derzeit gehen die Aktiven der Bürgerinitiative in Amöneburg von Haus zu Haus, um mit Flyern und Gesprächen über die „schmerzhafte Wahrheit“ aufzuklären. Sie sagen: „Ein Gewalttäter wie Dr. Gutmann darf nicht durch eine Straßenbenennung geehrt werden.“
gec