Obstsortenschatz Heiligen Grund
Am Rand von Marburg, zwischen dem alten Ortskern von Ockershausen und dem Stadtteil Stadtwald, liegt der „Heilige Grund“ – ein etwa elf Hektar großes Gelände mit weitreichender Geschichte. Die Fläche besteht überwiegend aus Streuobstwiesen, die teils mit jahrzehntealten Hochstamm-Obstbäumen bewachsen sind. Einige der Bäume stammen noch aus den 1950er-Jahren, andere wurden in den 1990er-Jahren oder später gepflanzt.
Einst war der Heilige Grund eine wichtige landwirtschaftliche Einnahmequelle für die Bewohnerinnen und Bewohner Ockershausens. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, stellte der Obstanbau eine willkommene Nahrungs- und Geldquelle dar. Der Anbau hochstämmiger Kirschbäume brachte damals beachtliche Erträge. In den 1960er-Jahren führte jedoch der Einzug der Kirschfruchtfliege, bedingt durch klimatische Veränderungen, zum Niedergang der Kirschernte. Die Früchte wurden zunehmend befallen, ihre Vermarktung war nicht mehr möglich – der Kirschenanbau wurde eingestellt.
In der Folge ließ auch die individuelle Pflege der Streuobstwiesen nach. Statt mühsamer Handmahd durch die Eigentümer übernahm ein Schäfer die Beweidung der Flächen. Diese gemeinschaftliche Nutzung führte jedoch dazu, dass einzelne Grundstücke zunehmend verwilderten. Der Heilige Grund drohte zu verbuschen und an kulturellem wie ökologischem Wert zu verlieren.
Ein Umdenken setzte in den 1990er-Jahren ein. Initiativen wie BUND und NABU ünterstützten bei der Neupflanzung alter, robuster Apfelsorten. Die Ernte wurde gemeinschaftlich organisiert und zu Apfelsaft verarbeitet. Gleichzeitig entstand ein Apfellehrpfad mit inzwischen 108 teils seltenen historischen Sorten, darunter Exemplare, die erst nach längerer Suche beschafft werden konnten. Ergänzend wurden weitere Bäume in Reihungen nahe verwandter Sorten gepflanzt. Der Lehrpfad entwickelte sich zu einem lebendigen Archiv deutscher Obstbaukultur.
Doch der Lehrpfad ist in die Jahre gekommen. Viele der informativen Tafeln und Halterungen sind beschädigt oder verwittert. Um diese zu restaurieren, lädt die Initiative für Kinder-, Jugend- und Gemeinwesenarbeit (IKJG e.V.) im Juli und August zu einem Workshop ein. Dieser findet immer mittwochs bis 27. August jeweils von 10 bis 13 Uhr in der Holzwerkstatt des Stadtteilzentrums an der Dietrich-Bonhoeffer-Straße 16 statt. Unter fachlicher Anleitung werden die Infotafeln repariert und neu gestaltet, um künftig wieder Besucherinnen und Besuchern die Vielfalt der Apfelsorten im Heiligen Grund näherzubringen.
Gefördert wird das Projekt vom Programm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier“, engagierte Mitwirkende sind willkommen.
pe/MiA