Protest gegen Verschlechterung des Bahnangebots in Marburg.
Mit dem Fahrplanwechsel verschlechtert sich das Fernverkehrsangebot der Deutschen Bahn in Marburg deutlich: Ab 14. Dezember fahren die ICEs nur noch alle vier Stunden. Bislang hielten die Hochgeschwindigkeitszüge im Zwei-Stunden-Takt in der Universitätsstadt und fuhren weiter bis nach Hamburg. Nun ist der nördlichste Halt Bremen. Gegen die Halbierung des Angebots protestieren Stadt- und Kreispolitiker, die darin eine erhebliche Schwächung des dynamischen Wirtschaftsstandorts und der Tourismusregion sehen.
Als Grund für den Wegfall nennt die Bahn die zu geringe Auslastung der Fernzüge über Marburg und Gießen sowie Korridorsanierungen anderer Bahnstrecken. Allerdings weist der Fahrgastverband Pro Bahn darauf hin, dass gerade die ICEs in den vergangenen Jahren extrem unzuverlässig auf der Strecke waren. Sobald auch nur eine Tagesbaustelle oder eine Weichenstörung vorlag, seien die Züge über Fulda umgeleitet worden – oft extrem kurzfristig ohne nennenswerte Vorankündigung. „Die Fahrgäste, die ihr Fernverkehrsticket Wochen vorher gekauft hatten, mussten sich ständig auf entfallene ICE auf der Main-Weser-Bahn einstellen“, berichtet Pro-Bahn-Sprecher Thomas Kraft. Nach seiner Einschätzung fuhren die Fernzüge vor allem seit April 2024 nur in gut der Hälfte der Zeit – ohne Ersatzangebot. „So gewinnt man keine Fahrgäste für den ICE in Mittelhessen, so vergrault man sie“, sagt Kraft.
Daher fordert Pro Bahn ebenso wie die Kommunalpolitiker, den Zwei-Stunden-Takt im Fernverkehr und die Verbindungen bis nach Hamburg (gelegentlich sogar bis Stralsund und Westerland) beizubehalten. Dass die einstimmig verabschiedete Resolution von Stadt und Kreis Marburg-Biedenkopf Erfolg hat, ist allerdings unwahrscheinlich. Bei einem Gespräch zwischen Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies sowie Vertretern der Landkreise Marburg-Biedenkopf und Schwalm-Eder sei die DB „nicht willens oder bereit“ gewesen, die Pläne zu überprüfen. Deswegen fordert der Fahrgastverband, dass die Bahn zumindest einen genauen Zeitpunkt nennen soll, wann der Zwei-Stunden-Takt zurückkommen soll.
Mehr Zugausfälle durch Generalsanierung
Doch es kommt noch mehr Unbill auf die Bahnreisenden zu. Wegen einer Generalsanierung der Rheinstrecke wird die Linie über Gießen und Marburg zur Ausweichstrecke für den Güterverkehr, was zu mehr Lärm für die Anwohner und zu mehr Zugausfällen für die Fahrgäste führt.

Zugleich wurde klar, dass die Main-Weser-Bahn vorerst nicht saniert wird, obwohl dies eigentlich für 2030 geplant war. Doch das Vorhaben wurde auf 2034/35 verschoben. Das bedeutet, dass auch Projekte wie der barrierefreie Umbau des Südbahnhofs, die geplante neue Bahnstation Marburg-Mitte und der Ausbau des Bahnhalts Bürgeln verschoben werden.
Dass der für den Nah- und Regionalverkehr zuständige Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) zumindest teilweise für Ausgleich sorgt, ist nicht zu erwarten. Auf Anfrage sagte der Sprecher des RMV: „Für zusätzliche Regionalzugfahrten von oder nach Marburg besteht derzeit keine Finanzierungsmöglichkeit.“ Zudem sei seitens der Deutschen Bahn zunächst nur von einer Verschiebung der Fernverkehrszüge um eine halbe Stunde die Rede gewesen. Um dies zu ermöglichen, seien die Fahrzeiten des RE98 – das ist der kleinere, einstöckige Zug, der häufig hält – angepasst worden.
Längere Fahrtzeiten nach Kassel
Das hat allerdings noch eine weitere unangenehme Folge. Weil dieser Regionalzug in Stadtallendorf nun vom ICE überholt wird, hat er dort einen längeren Aufenthalt. Damit verlängert sich die Fahrt von Marburg nach Kassel auf eineinhalb Stunden. Mit dem seltener haltenden, komfortableren RE30 dauert es nur eine gute Stunde, ebenso lang wie die Autofahrt. Als kleinen Lichtblick nennt der RMV: Während des längeren Halts in Stadtallendorf wird ein zweiter Zugteil an den RE98 angekoppelt, sodass es im Regionalzug nicht ganz so eng wird. In Richtung Kassel muss er wieder abgekoppelt werden, da ab dort die Bahnsteiglängen keine zwei Zugteile hintereinander zuließen, so der RMV.
Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert daher, den doppelstöckigen RE30 im Stundentakt fahren zu lassen. Weil dieser Regionalzug wesentlich mehr Sitzplätze hat, wären die Züge auch nicht mehr so überfüllt. Angesichts der Sanierungen an der Rheinstrecke sollen aber mehrere RE30-Zusatzfahrten, die normalerweise zu den Hauptverkehrszeiten zwischen Frankfurt und Marburg rollen, aus dem Fahrplan herausgenommen werden.
ICE nicht mehr im Semesterticket
Voller dürfte es in den Regionalzügen auch aus einem anderen Grund werden: Im Semesterticket der Marburger Studierenden ist ab Sommersemester 2026 der Fernverkehr nicht mehr enthalten. Bis dahin konnten sie auch die ICEs bis nach Heidelberg und Göttingen nutzen. Auch deswegen galt der solidarisch aufgebrachte Beitrag einst als „bestes Semesterticket Deutschlands“. Doch seit der Verteuerung des Deutschlandtickets stieg auch der Semesterbeitrag so deutlich, dass sich das Studierendenparlament dafür entschied, den Fernverkehrsvertrag mit der Deutschen Bahn aufzukündigen. Damit sparen die Studis rund 60 Euro pro Semester.
gec

