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Express Online: Thema der Woche
Express Online: Thema der Woche | 18. November 2004

Hasch, Ecstasy und Amphetamine im Trend

Verzicht auf Weihnachtsgeld wird nicht reichen: Kürzungen öffentlicher Mittel bedrohen Gießener Suchthilfezentrum, an das sich zugleich immer mehr Ratsuchende wenden

Wenn Drogenberater Bernd Hündersen die gefährlichsten "Trends" bei Rauschmitteln benennen müsste, so steht für den Geschäftsführer des Gießener Suchthilfezentrums der Haschisch-Konsum ganz oben. Immer noch werde die Gefährlichkeit dieser illegalen Droge unterschätzt, die in den schlimmsten Fällen zu Schizophrenie führen kann. Die besondere Problematik, die viele "erfahrene Raucher" nicht wahrhaben wollen: "Haschischkonsum kann jahrelang unkompliziert verlaufen, doch dann tauchen beim 332. Joint auf einmal psychische Probleme auf." Zurzeit würden immer noch mehr Menschen nach Cannabiskonsum in Psychiatrien eingewiesen, als nach Heroinkonsum.

Seit zwei Jahren steigt die Zahl der Ratsuchenden in dem Suchthilfezentrum kontinuierlich an. Ursache ist nicht nur ein steigender Drogenkonsum, sondern auch die bessere Akzeptanz der Einrichtung, so Hündersen. Mehr Angebote bei Beratung, Betreuung und Suchtprävention sind die Folge. Doch finanziell steht es schlecht um den Verein: Wegen staatlicher Kürzungen müssen die Mitarbeiter deshalb in diesem Jahr erstmals auf ihr Weihnachtsgeld verzichten. Um die Liquidität zu sichern, haben sogar der Vorstand und zahlreiche Mitglieder einen fünfstelligen Betrag für eine Bürgschaft abgelegt. "Wir glauben an unseren Verein", sagt Betriebsrätin Waltraud Velte. Zur Unterstützung bittet das Zentrum jetzt nicht nur um öffentliche Spenden. Auch mit Partnerschaften oder Sponsorenverträgen wäre dem Zentrum geholfen.

Der Verzicht auf das Weihnachtsgeld ist die einzige Möglichkeit, unsere 14 Arbeitsstellen zu halten", begründet Geschäftsführer Hündersen diesen Einschnitt. Ursache für die schlechte finanzielle Lage seien vor allem die begrenzten öffentlichen Mittel, von denen sich der Verein zu rund 60 Prozent finanziert. Seit zwei Jahren habe das Suchthilfezentrum Kürzungen von Land und Kreis in Höhe von mehr als 80.000 Euro hinnehmen müssen. "Die Personalsituation gestaltet sich von Jahr zu Jahr schwieriger." Konnten vor zehn Jahren noch rund sieben Stellen mit Landeszuwendungen finanziert werden, so waren es in diesem Jahr nur noch dreieinhalb. Zusätzliche Standbeine, wie kostenpflichtige Beratungs- oder Schulungsangebote oder Verträge mit anderen Geldgebern, wie dem Landeswohlfahrtsverband Hessen oder der Gießener Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie könnten die Defizite nicht ausgleichen.

Insgesamt steigt die Nachfrage in der Einrichtung von Jahr zu Jahr. Bereits Ende Oktober hat das Zentrum mit knapp 650 neuen Klienten 70 mehr gezählt als im gesamten Vorjahr. "Bei dem derzeitigen Anstieg unserer Ratsuchenden und der wachsenden Suchtproblematik in unserer Gesellschaft wäre eine Reduktion unserer Dienstleistungsangebote das falsche Signal", so Hündersen. Neben dem steigenden Konsums von Haschisch seien auch Ecstasy-Pillen und Amphetamine stark im Trend: "Viele wollen damit ihre Selbstinszenierung optimieren, um den heutigen Anforderungen zu genügen", erklärt der Soziologe. Doch auch, wenn 80 Prozent dieser Konsumenten unter 21 Jahren seien, dürfe man den Missbrauch bei älteren Menschen nicht vergessen, die damit Arbeitsstress oder Lebenskrisen schnell überwinden wollten.

Trotz dieser illegalen Drogenproblematik warnt der Berater jedoch davor, Zigaretten, Alkohol und Medikamente zu verniedlichen. "Das Durchschnittsalter für den ersten Nikotinkontakt liegt bei neun Jahren." Zentraler Baustein ist deshalb auch die Suchtprävention bei Kindern und Jugendlichen. Mit Projekten, wie "Spielzeugfreier Kindergarten", Rollenspielen oder Workshops in Schulen bietet das Zentrum seit mehreren Jahren erfolgreich Präventionsarbeit an – Teilnehmerzahl steigend. "Unser Ziel ist es, die Kreativität und Kommunikationsfähigkeit der Kinder zu stärken, um dem Gruppendruck in einer Clique zu widerstehen", sagt Projektleiterin Waltraud Velte. Durch Reizüberflutungen von Konsum und Medien würden diese Fähigkeiten oft verkümmern.

Um in Zukunft effizienter arbeiten zu können, will das Suchthilfezentrum demnächst seine beiden Beratungsstellen in der Schanzenstraße 16 und im Gartfeld 2 in der Stadt in einem größeren Gebäude zusammenlegen.

Meike Mossig



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