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Express Online: Thema der Woche
Express Online: Thema der Woche | 23. Dezember 2004

"Erlenring-Center hat Weidenhausen kaputt gemacht"

Zur Person:
Pitz Metz
Pit Metz, Jahrgang 1953, stammt aus Weinheim an der Bergstraße. In Marburg blieb er nach Abschluss seines Pädagogikstudiums hängen. Metz arbeitet als Rehabilitationslehrer für Blinde und Sehbehinderte und ist zurzeit freigestellter Betriebsratsvorsitzender der Blindenstudienanstalt. Der parteilose Metz, der in Marburg auch schon als Laienschauspieler und Lyrik-Rezitator auf sich aufmerksam machte, sitzt seit 2002 als Stadtverordneter für die PDS /Marburger Linke im Stadtparlament und engagiert sich gewerkschaftlich im DGB-Kreisvorstand.
Daniel Hajdarovic
Am 30. Januar wird ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Zur Auswahl stehen Bürgermeister Egon Vaupel (SPD), Jan-Bernd Röllmann (FDP), Dr. Gregor Huesmann (Marburger Bürgerliste) sowie Lutz Heer von der CDU (siehe Express Nr. 50) und Pit Metz (PDS/Marburger Linke), den wir in der heutigen Ausgabe vorstellen.

Express: Sie kandidieren für PDS/Marburger Linke, sind aber parteilos ...
Pit Metz: Bis 1996 war ich Mitglied der DKP. Bin dann aber, was mir nicht leicht fiel, ausgetreten, weil ich es nicht gut fand, wie mit innerparteilichen Kritikern umgegangen wurde. Außerdem gehörte ich nicht zu jenen, die über die Wende 89/90 trauern, sondern nehme sie als Anstoß für Lernprozesse.

Express: Jetzt sind Sie Kandidat einer Partei, auf deren soziale Forderungen oft wie folgt reagiert wird: 'Hört sich ja schön an, was die PDS da sagt, ist aber völlig illusorisch.' Sind sie mit ihrem "schönen" Programm ein Utopist?
Metz: Nein, ich bin Realist. Aber ein Realist mit Zielen. Auch mit dem Begriff "Visionen" ist das so eine Sache: ich bin ja kein Esoteriker. Ich finde es aber schlimm, wie Kürzungen stets als Sachzwängen verkauft werden. Wir machen für unsere Forderungen natürlich Finanzierungsvorschläge und haben bei unserem Wahlprogramm für Marburg darauf geachtet, was machbar ist.

Express: In diesem Programm steht, dass Sie die Mittel für den Stadtpass aufstocken wollen, der unter anderem verbilligte Eintrittspreise für Bedürftigte bietet. Oder auch die Forderung nach Rücknahme von Kürzungen bei freien Trägern im Sozialbereich. Wie soll das finanziert werden?
Metz: Zum Beispiel über einen Teil der Gewinne der Stadtsparkasse oder durch Angleichung des in Marburg niedrigeren Gewerbesteuerhebesatzes an das Niveau von Gießen. Dennoch ist die Finanzlage vor Ort natürlich schwierig – die Kommunen sind die Verlierer der Steuerreform. Deshalb muss man auch über den kommunalpolitischen Tellerrand hinausschauen. Als Oberbürgermeister würde ich meine Stimme beim deutschen Städtetag in diesem Sinne erheben.

Express: Sehr wahrscheinlich ist es aber nicht, dass Sie Oberbürgermeister werden. Aber sie sind der einzige Kandidat, der nicht siegesgewiss vorgibt, definitiv der neue OB zu sein. Warum also stellen Sie sich zur Wahl?
Metz: Je höher der Anteil unserer Stimmen ist, desto mehr muss ein OB – egal, wer es wird – mit diesem Potential leben, kann unsere Positionen nicht ignorieren. Im Sinne eines gesunden Parteiegoismus wollen wir im ersten Wahlgang so viele Stimmen wie möglich gewinnen – linke Proteststimmen und auch Stimmen von Wahlverdrossenen, die aus Unzufriedenheit mit der grünen und rosa-roten Politk sonst nicht zur Wahl gegangen wären.

Express: Apropos Protest: Auch Sie haben sich an den Protesten gegen Hartz IV beteiligt. Allerdings handelt es sich hier um ein Bundesgesetz ...
Metz: ... dessen Folgen sich aber mildern lassen, indem auf kommunaler Ebene gegengesteuert wird, zum Beispiel über den eben erwähnten Stadtpass. Ab Januar werden etwa 950.000 Menschen keine Arbeitslosenhilfe mehr erhalten, weil sie in einer sogenannten Befarfsgemeinschaft leben. Auch wenn wir mal einen extremen Fall nehmen, etwa eine arbeitslose Frau, die mit einem gut verdienenden Anwalt zusammenlebt, der auch Vater ihrer Kinder ist. Sie wollte nicht heiraten und abhängig sein, verliert jetzt aber ihren gesetzlichen Individualanspruch. Insgesamt besteht der Paradigmenwechsel darin, dass es nicht mehr um Ansprüche geht, sondern um Almosen für Notlagen.

Express: Neues Thema: Uniklinikum. Was halten Sie davon, dass nicht nur die Fusion mit Gießen kommt, sondern nun auch die Privatisierung des Ganzen beschlossen worden ist?
Metz: Das ist schockierend in zweifacher Hinsicht. Der Staat zieht sich mehr und mehr aus seinen hoheitlichen Aufgaben heraus; der private Investor wird sich natürlich die Filet-Stücke rauspicken. Und es wird – bei der Stiftung St. Jakob machen wir das ja gerade durch – zu einer Herabsetzung der sozialen Standards bei den Beschäftigten kommen.

Express: Wie positionieren Sie sich städtebaulich? Zum Beispiel gab es ja mal die Idee eines Geschäfts-Centers auf dem Feeser-Gelände an der Ecke Erlenring/Weidenhausen.
Metz: Die Center-Idee dürfte vom Tisch sein. Schon der Bau des jetzigen Erlenring-Centers war der Anfang vom Ende Weidenhausens. Der Erlenring-Center hat Weidenhausen kaputt gemacht. Generell ist es wichtig, dass bei städtischen Bauprojekten mehr Bürgerbeteiligung stattfindet.

Express: Die Bürger wurden auch in der Vergangenheit informiert. Es gab öffentliche Veranstaltungen.
Metz: Die klassische Form der Bürgerbeteiligung ist aber nicht ergebnisoffen. Man muss bei allen Stadtteilfragen durch Bürgerforen Einflussnahme institutionalisieren. Zuerst ein Ideenwettbewerb mit Vorschlägen der Architekturbüros und dann muss über die Alternativen diskutiert werden. Nach dem sozialdemokratischen Motto: Mehr Demokratie wagen.

Express: Wie denken Sie über das Verhältnis von Stadt und Uni, die oft beklagte Distanz?
Metz: Warum richtet man nicht endlich einen jour fixe zwischen Stadt und Uni ein? Zu besprechen gäbe es da immer genug. Aber das muss in den Ergebnissen verbindlicher sein als die bisherigen Plaudereien bei Empfängen.

Express: Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Daniel Hajdarovic


Express Online: Thema der Woche | 23. Dezember 2004

"Licher Schädel" noch unidentifiziert

Info: Fachhochschule könnte bei Gesichts-
rekonstruktion helfen
Hilfe bei der Aufklärung des mysteriösen Todesfalls könnten die Beamten indes von der Fachhochschule Gießen-Friedberg erfahren. Erst letzte Woche stellte FH-Professor Jörg Subke seine neuesten Forschungsergebnisse zur Gesichtsrekonstruktion vor. Üblicherweise dienen den Ermittlern aufwändig modellierte Tonmasken als Identifikationshilfe stark verwester Leichen. Subke entwickelte ein Verfahren, dass die Arbeit am Rechner erlaubt.
Der offenkundige Vorteil: Binnen kurzer Zeit können zahlreiche Modellvarianten erstellt werden. Diese sind besonders dann von großer Bedeutung, wenn knöcherne Strukturen wie Nase bzw. Lippen oder Haare fehlen – wie beispielsweise beim "Licher Schädel" der Fall.
Christian Schulze Wenning
Wer ist der mysteriöse Tote, von dem Sparziergänger im Wald zwischen Lich und Hattenrod (Kreis Gießen) den abgetrennten Kopf gefunden haben? Unser Autor begleitete die Polizei auf ihrer Suchaktion im Gelände

Ausrichten!", der Umgangston ist militärisch. Das knappe Kommando löst eine Art umgekehrten Dominoeffekt in der grüngekleideten Menschenschlange am Waldrand aus und gut 240 Bereitschaftspolizisten trappeln auf Lücken zu je sieben bis acht Meter auseinander. "Vorwärts!"

Grund für das Großaufgebot vergangenen Dienstagmorgen ist ein menschlicher Schädel, den ein Spaziergänger am Wochenende zuvor am Waldrand zwischen Lich und Hattenrod aufgefunden hatte (siehe Ausgabe 51/04, Magazin, "Leichenfund"). Am vollständig skelettierten Kopfknochen haben Spezialisten der Gießener Gerichtsmedizin vier Einschuss- sowie zwei Austrittslöcher festgestellt – ein Gewaltverbrechen könne nicht ausgeschlossen werden.

Dass es sich bei dem grausigen Fund jedoch um Überreste des seit dem 15. Oktober vermissten Millionärssohn Andreas Sascha Grimm aus Miltenberg handele, sei aus polizeilicher Sicht mehr als unwahrscheinlich. Dagegen spricht zum einen die vermutlich wesentlich längere Liegezeit des ausgeblichenen Gebeines – von bis zu einigen Jahren ist die Rede – wie auch eine erste Alterseingrenzung des Opfers: Der Mann muss zwischen 30 und 45 Jahre alt gewesen sein. Grimm war zum Zeitpunkt seiner Entführung 25. Die "Bild" spekulierte in ihrer Montagsausgabe in entsprechende Richtungen.

Nein, tatsächlich passe das Leichenteil zu "keiner hier bekannten Straftat", verleiht Polizeipressesprecher Werner Tuchbreiter seiner Ratlosigkeit Wort. Dem Vernehmen nach sollen weitere Ermittlungen in enger Zusammenarbeit mit der Frankfurter Kriminalpolizei geschehen.

Auf gut eineinhalb Kilometer Breite bringt es die Kolonne. Ebenso weit wird sie in das Dickicht vordringen. Aber was in den Stunden zwischen 9.30 und 14.00 Uhr vor die Suchstöcke der Beamten gerät, birgt keinerlei Aufschluss: einige Tierknochen, ein vergammelter Anorak und ein kleiner Gummistiefel. Und die drei Leichenspürhunde bleiben heute ruhig.

Ähnlich unbefriedigend verlief tags zuvor die Suche mit einem Metalldetektor. Die Fahnder hofften, Patronenhülsen ausfindig machen zu können – ergebnislos.

Christian Schulze Wenning



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