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Express Online: Thema der Woche
Express Online: Thema der Woche | 25. Februar 2010

"Man muss kein Raketenwissenschaftler sein ..."

Jubi-Jazz
Unter dem Motto "Jazz is not dead – it just smells funny" begeht die Jazzinitiative Marburg ab dem 1. März ihr 30-jähriges Jubiläum mit einer Festwoche. Der Verein mit Sitz im Jazzclub Cavete am Steinweg, der sich der "Förderung kreativer Musik" verschrieben hat, ist längst Kulturzentrum geworden: Eine Fülle von Veranstaltungen von der sich seit Jahren selbst organisierenden Open Stage über die Lesebühne bis hin zu hochkarätigen Konzerten und Workshops mit allen Größen der Zunft von Archie Shepp bis John Scofield spricht für sich.
Highlights der Jubiläumswoche:
Roman Klöcker Trio & Guests
Di 2. 3. 21.00 Uhr, Cavete
Dass Roman Klöcker nicht nur Gründer und Seele des Jazzclubs, sondern auch ein hervorragender Gitarrist ist, sollte eigentlich hinlänglich bekannt sein. Das Trio mit Götz Ommert und Michael Ehret ist seine Wunschformation: Nur wenige Rhythmusgruppen verstehen es, so hart und gleichzeitig gefühlvoll zu swingen.
Lesebühne Goes Jazz
Mi 3.3. 21.30 Uhr
Improvisation ist das Herzstück des Jazz – und für Slam-Poetry gilt eigentlich dasselbe: Aus dem Stehgreif auf Kante fahren, Neues ausprobieren, die eigene Stimme finden. – Texte zu Musik, live, ohne Netz und doppelten Boden.
Live On Stage – The Different Club
Do 4.3. 21.00 Uhr
Als die Open Stage vor ein paar Jahren aus allen Nähten platzte schuf die JIM mit "The Different Club" ein Forum, in dem sich lokale und regionale Newcomer mal unter Standardbedingungen ausprobieren und austoben konnten.
red
Die Größen der Zunft von Archie Shepp bis John Scofield hat die Jazzinitiative Marburg (JIM) nach Marburg geholt. Zum 30. JIM-Geburtstag erklärt Vorstandsmitglied Lars Manzeschke warum seine Lieblingsmusik trotzdem ein Imageproblem hat.

Express: "Jazz is not dead..." Stimmt das wirklich oder ist Jazz nicht tatsächlich längst Schnee von gestern und ihr solltet nach 30 Jahren Altenpflegebesser den Laden schließen?
Lars Manzeschke: Nee, bestimmt nicht. Aber du hast recht: Der Jazz leidet; er hat ein Imageproblem. Für die einen ist er eine Art Altherrenmusik, die man getrost vergessen kann, für die anderen ebenso unverständliches wie unerträgliches Getröte. Das ist aber nur die Oberfläche, die man als reine Ignoranz abtun könnte. Tatsächlich sieht die Sache aber noch viel schlimmer aus: Wenn du mit Leuten sprichst, sagen dir viele Sachen wie "Jaja, Jazz ist schon cool und so; ich respektier das und alles, aber ich komm' da nicht rein. Jazz ist irgendwie immer so kompliziert und abgedreht – tut mir Leid". Unterm Strich gilt Jazz als Intellektuellenmusik – was für pfeifenrauchende Analytiker, was fürs Hirn, nicht für den Bauch, "vielleicht gut für mich, macht aber keinen Spaß".

Express: Und? Ist da nicht vielleicht sogar was dran?
Lars Manzeschke: Naja, ich denke, man muss kein Raketenwissenschaftler sein, um zu merken, wo hier der Wind her weht. Wir werden überschüttet mit industriell gefertigten Events, die allesamt nichts anderes sind als RTL mit anderen Mitteln. Und was die Leute "Spaß" nennen ist meist nichts anderes als hohler Freizeitkonsum, Regeneration für die Tretmühle des Erwerbslebens. – Jazz steht dazu quer.

Express: Wenn man sich das Programm eurer Festwoche ansieht, dann bekommt man den Eindruck, das sei gar nichts Besonderes. Was anderes macht ihr doch sonst auch nicht.
Lars Manzeschke: Stimmt. Warum sollten wir auch? Veranstaltungen wie die Open Stage oder der Different Club am Donnerstag sind großartig so wie sie sind. Die Open Stage ist eine Riesensache, auf die wir mächtig stolz sind. Zum einen organisiert sich die Veranstaltung seit 20 Jahren gewissermaßen von selbst; es gibt immer wieder Musiker, die die Verantwortung dafür übernehmen, dass der Laden läuft, ohne dass dafür Vorstandssitzungen oder so notwendig wären. Zum anderen ist sie tatsächlich eine veritable Nachwuchsschmiede geworden – immerhin sind allein im letzten Herbst sieben Musiker, die in der Cavete angefangen haben und regelmäßig spielen, zum Studium an Musikhochschulen gegangen. Außerdem ist der Laden jeden Montagabend proppenvoll – das spricht doch für sich.

Express: Und die Lesebühne am Mittwoch?
Lars Manzeschke: War für uns schon immer Herzensangelegenheit. Improvisation ist das Herzstück des Jazz – und für Slam-Poetry gilt eigentlich dasselbe: Das sind Leute, die aus dem Stegreif auf Kante fahren, Neues ausprobieren, die eigene Stimme finden.

Express: Höhepunkt der Woche ist das Konzert des Roman Klöcker Trios am Dienstagabend ...
Lars Manzeschke: Roman Klöcker ist, wenn ich das mal so sagen darf, "our heart and soul". Nicht nur, dass er den Club aus der Taufe gehoben hat – und nebenbei bemerkt einer der feinsten Menschen ist, den ich kenne – er ist außerdem auch ein unglaublich guter Gitarrist. Sein Trio mit Michael Ehret und Götz Ommert ist echt Kracher; eine bessere Rhythmusgruppe ist wirklich schwer zu finden. Außerdem hat er ein paar außergewöhnliche Gäste im Gepäck. Der Abend ist sein Fest – mehr wird nicht verraten.

red


Express Online: Thema der Woche | 25. Februar 2010

Zwanzigtausend Kilometer mit zwei PS

Günter Wamser ist ein Weltenbummler der etwas anderen Art: Er reitet von Argentinien nach Alaska.

Express: Wie kommt man auf die Idee, durch Amerika mit Pferden zu reisen?
Günter Wamser: Ursprünglich war ich ein begeisterter Motorradfahrer. Während einer Motorradreisesattelte ich in Guatemala im wahrsten Sinn des Wortes um, kaufte mir ein Pferd, unternahm einen Ritt durch Guatemala und lernte die Vorzüge des langsamen Reisens mit Pferden kennen und bin bis heute davon fasziniert. So entstand die Idee mit Pferden von Argentinien bis Alaska zu reiten. Die nächsten Jahre verbrachte ich in Guatemala damit, Erfahrung mit Pferden zu sammeln. Ich kaufte mir acht Pferde und bot Reittouren für Touristen an. 1994 startete ich dann an der Südspitze Argentiniens zu meinem Ritt quer durch den amerikanischen Doppelkontinent. Mein Ziel ist es, von Argentinien bis Alaska zu reiten. Die Reise führte mich über 20.000 Kilometer durch Süd- und Mittelamerika bis nach Mexiko. 2005 erreichte ich die amerikanische Grenze. Die vergangenen drei Jahre ging die Reise dann durch die Rocky Mountains weiter.

Express: Worin liegen die Vorteile dieser Art des Weltenbummelns?
Günter Wamser: Reisen macht das Leben intensiver, und man lernt sich selbst besser kennen. Beim Reisen geht es mir nicht darum irgendwo anzukommen, sondern einfach unterwegs zu sein. Immer noch steckt die kindliche Neugierde in mir, auf das, was mich hinter dem nächsten Hügel oder Horizont erwartet. Ungewissheit und Herausforderungen bringen Abwechslung in den Tag, nicht jeder Tag ist einfach, doch es ist niemals langweilig.
In der Langsamkeit liegt die Erlebnisdichte. Weil ich langsam unterwegs bin, habe ich Zeit. Zeit für die Details, Zeit für die Menschen am Weg, Zeit mich in die Seele des Landes einzufühlen. Wir bewegen uns heute viel zu schnell. Der Kopf ist noch mit dem Abschied beschäftigt, da ist man Stunden später schon per Flugzeug in einem anderen Kontinent und Kulturkreis. Da kommt die Seele nicht mit. Ich aber bin in einem Tempo unterwegs, das Körper und Seele mitnimmt.
Die Pferde öffnen mir die Türen zu den Menschen. Ich bin ein zurückhaltender Mensch, und es fällt mir nicht leicht, auf fremde Menschen zuzugehen. Weil ich aber für die Pferde verantwortlich bin, weil ich jeden Abend Futter, Wasser und einen vernünftigen Lagerplatz für sie brauche, muss ich auf die Menschen zugehen, ich frage sie um Hilfe, und daraus sind schon viele schöne Freundschaften entstanden.

Express: Was ist die schlimmste Lage in die man mit Pferden kommen kann?
Günter Wamser: Ich bin für meine Pferde verantwortlich und da ich das sehr ernst nehme, ist jede Situation, in der die Pferde in irgendeiner Form nicht gut versorgt sind, oder gar in Gefahr sind, eine schlimme Lage. So ist es zum Beispiel schon eine schlimme Lage, wenn man abends kein Wasser findet, oder nicht ausreichend Futter. Denn ich bin es meinen Tieren schuldig, dass sie immer gut versorgt sind.Schwierig für mich waren aber auch alle Grenzübergänge in Südamerika. Denn es kommt nicht jeden Tag vor, dass jemand mit Pferden über eine Grenze reiten möchte. Dafür gibt es keine klaren Regeln und das wird dann schon gerne ausgenutzt, da wird Schmiergeld verlangt. So habe ich an den Grenzen oft Wochen oder sogar monatelang gewartet, bis alle Papierformalitäten erledigt waren.

Express: Wohin würden sie mit Pferden nie reisen?
Günter Wamser: Grundsätzlich gilt für mich immer, Reisen muss mir Spaß machen, aber auch den Tieren. Und dort wo Pferde nichts zu suchen haben, würde ich daher auch nie hingehen, sei das die Wüste, oder gefährliche Wege im Hochgebirge oder eine moskitoverseuchte Gegend, oder der Urwald. Ich muss alles, was ich mit den Pferden unternehme, auch vor mir selbst verantworten können.

Express: Sind Pferde die besseren Weggefährten?
Günter Wamser: Mit Pferden unterwegs zu sein, hat viele schöne Seiten. Für mich sind sie tatsächlich Weggefährten, sie sind meine Freunde, zu denen ich über die Jahre eine sehr intensive Beziehung entwickelt habe. Wie schon erwähnt, öffnen sie mir die Türen zu den Menschen.
Eine Reise mit Pferden folgt einem ganz eigenen Rhythmus, sozusagen im Takt der Hufe. Denn die Pferde bestimmen nicht nur das Tempo, ihnen habe ich auch viele schöne Tage zu verdanken, die ich bei Menschen verbrachte, mit ihnen gearbeitet und gelebt habe, während die Pferde sich auf einer grünen Weide erholen konnten.
Aber auch draußen mit den Tieren unterwegs zu sein, hat einen ganz besonderen Reiz. Die schönsten Momente auf der Reise habe ich meinen Tieren zu verdanken. Denn das Schönste für mich ist es, wenn ich abends an einem wunderbaren Lagerplatz die Pferde absatteln kann, und dann in den letzten Sonnenstrahlen bei einer warmen Tasse Kaffe zusehen kann, wie sie sich zufrieden im hohen Gras wälzen und dann ausgelassen auf der Wiese herumtollen wie junge Fohlen.

Günter Wamser zeigt seine Lichtbildshow "Per Pferd von Argentinien nach Mexiko" im Rahmen des "3. Gießener Abenteuer-Tages", der So 28.2. ab 14.00 in der Kongresshalle Gießen stattfindet. Info: www.abenteuerreiter.de und www.planetview.de.

Interview: Michael Arlt

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