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Express Online: Thema der Woche | 31. März 2011

Es geht voran

Bei den Kommunalwahlen für Stadt und Landkreis in Marburg und Gießen sind die Grünen die großen Gewinner

Die Welt gerät aus den Fugen und ist dabei, sich neu zu sortieren. Während andernorts in der Republik politische Meinungsäußerung unter reger Bürgerbeteiligung vonstatten ging, hielt sich der mündige Hesse mal wieder vornehm zurück. Lag es daran, dass in Marburg und Gießen "nur" Kommunalwahlen für Kreistag und Stadtparlament zu schlagen waren, es in Marburg einen relativ sicheren Oberbügermeister zu bestätigen galt, eine dubiose Schuldenbremse zur Abstimmung kam. Oder lag es schlicht daran, dass die Wählerinnen und Wähler dem kollektiven Atomkoller und der x-ten allgemeinen Verunsicherung entflohen und bei sprichwörtlichem Wonnewetter den Wahlsonntag in den Biergärten verbummelten? Wer schlau war, kam seiner Staatsbürgerpflicht vor dem Verlustieren nach und konnte dann ruhigen Gewissens bei einem Kaltgetränk die Wetterlage kommentieren, die politische, die meteorologische oder welche auch immer. Jedenfalls die rund 40 Prozent, die immerhin den Gang zur Urne fanden.

Dass es trotz der geringen Interesses dennoch in den Wahllokalen bisweilen zu Schlangenbildungen wie an der sonntäglichen Semmeltheke kam, ist dem Umstand des nach wie vor gewöhnungsbedürftigen Kumulierens und Panaschierens gedankt. Postergroße Stimmzettel und ellenlange Kandidatenlisten forderten dem differenzierenden Wähler ein gerüttelt Maß an Überblicksvermögen ab. Generalisten wählten die altbekannten Option Listenkreuz und waren nach dreißig Sekunden raus aus der Box.

Die Trendergebnisse bei Redaktionsschluss immerhin deuten auf einiges an Bewegung hin.

In Gießen könnten demnach die Tage der Jamaika-Koalition von CDU, FDP und Grünen rechnerisch gezählt sein. Die CDU verliert gegenüber 2006 11,4 Prozent (25,6), die FDP 2,4 (3,2). Die SPD legt zwar nur 0,7 Prozentpunkte zu (33,1), die Grünen hingegen satte 9,5 (23,4). Eine Wiederauflage der rot-grünen Koalition im Stadtparlament käme auf 33 der insgesamt 59 Mandate.

Auch bei den Wahlen zum Gießener Kreistag gehen die Grünen als klare Gewinner hervor und konnten 9,4 Prozent zulegen. Die bisherige Koalition aus CDU (-5,8), Freien Wählern (-1,3) und FDP (-2,3) bekäme demnach 34 der 81 Kreistagssitze, ein mögliches rot-grünes Bündnis 42.

Ein ähnlicher Bild zeichnet sich weiter lahnaufwärts ab. Auch in Stadt und Kreis Marburg legten die Grünen beträchtlich zu. Im Stadtparlament kommt die Partei auf 23,8 Prozent (+ 6,2 gegenüber 2006) und stellt 13 Sitze. Die SPD legt mit 35,4 Prozent ebenfalls zu (+2,0) und kommt auf 22 Sitze. Mit 23,9 erreicht die CDU nur 0,1 Prozent mehr als die Grünen und kann bei einem Verlust von 6,1 Prozent mit 14 Parlamentssitzen rechnen, während die Linke mit 7,4 Prozent einen Rückgang von 1,4 Prozent verbuchen muss und auf 4 Sitze kommt. An den Machtverhältnissen im Marburger Rathaus dürfte sich somit wenig ändern.

Anders sieht es im Kreistag aus. Hier präsentieren sich die Grünen mit 17,6 Prozent als einzige Gewinner der regierenden Jamaika-Koalition mit CDU (33 Prozent), FDP (2,4 Prozent) und Freien Wählern (3,4 Prozent). Die SPD kommt demnach auf 35,4 Prozent der abgegebenen Stimmen. Ein rot-grünes Bündnis auf Kreisebene wäre mithin denkbar.

Allen Unkenrufen zum Trotz konnte sich bei den Wahlen zum Marburger Oberbürgermeister Amtsinhaber Egon Vaupel mit überwältigendem Vorsprung von seinen Konkurrenten absetzen. Mit 59,3 Prozent hat der SPD-Politiker ein Bilderbuchergebnis einfahren. Für CDU-Kandidat Wieland Stötzel votierten 18,0 Prozent, während Franz Kahle von den Grünen 12,4 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen konnte. Es folgten Henning Köster für die Linke mit 4,4, Reinhold Becker (MBL) mit 3,5 Prozent, Jörg Behlen von der FDP mit 1,7 und APPD-Kandidat Michael Klapschinsky mit 0,7 Prozent der Stimmen.

War noch was? Ach ja, ein ähnlich eindeutiges Votum bei der Volksabstimmung zur Schuldenbremse: 70 Prozent der Hessen – 62,5 der Gießenerinnen und Gießener bzw. 65,9 Prozent der Marburger Wählerinnen und Wähler – wollen das bereits im Grundgesetz festgeschriebene Instrument auch in der Landesverfassung verankert sehen. Der Landeshaushalt soll somit ab 2020 außer im Krisenfall ohne neue Kreditaufnahme auskommen. Gegner der Schuldenbremse warnen angesichts dessen vor einem möglichen sozialen Kahlschlag.

Michael Arlt

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