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Thema der Woche | 16. Mai 2013

Einfach spannender

Die Gemeinschaftsproduktion "Ich schreibe im Fieber" bringt den 2013-Jubilar Georg Büchner ins Theater im G-Werk – Expressgespräch mit Anna Krauß und Rolf Michenfelder vom german stage service

Express: Das Stück ist untertitelt "Eine Suche nach Büchner". Was habt ihr gefunden?

Anna Krauß: Ja, wir haben uns auf eine Suche begeben nach dem Autor, der hinter diesen vielen, sehr bekannten Texten steht und haben versucht, uns ihm über verschiedene Perspektiven zu nähern. Und dabei haben wir sehr unterschiedliche Seiten an ihm entdeckt. Zum Beispiel den politischen Büchner, der zerrissen war zwischen den eigenen Utopien und dem Blick auf die Realität. Aber auch den Liebenden, der immer wieder seiner weit entfernten Geliebten schreibt. Oder den kranken Büchner, der so getrieben ist, dass er auch im Fieberwahn noch nachts weiter an seinen Texten schreibt. Er war ein Zerrissener und manchmal ging es uns auf der Suche auch so, dass wir uns dort wieder fanden zwischen dem Wollen und dem Können und auch zwischen dem Ja und dem Nein, zwischen Kraft und Kraftlosigkeit. Bei all dem sind wir ihm schon näher gekommen, aber wir suchen noch weiter.

Rolf Michenfelder: Ich denke, dass auch die Art unserer Suche wichtig war. Wir haben nicht gesagt, so, jetzt wird Woyzeck gelesen und interpretiert und dann Dantons Tod, dann Lenz usw.
Vielleicht kann man es mit Steinen vergleichen, die man ins Wasser wirft und die dann im Wasser Kreise ziehen, die sich ausbreiten, sich treffen, überlagern und schneiden. Das Wasser waren Texte von und über Büchner und die Steine hießen zum Beispiel Vergeblichkeit, Liebe, Scheitern, Langeweile, Utopie, Krankheit oder Tod. Und wir haben versucht, heraus zu finden, welche Kreise und Wellen unsere Steine durch Büchners Texte ziehen.

Express: Es ist die Zeit der Jubiläen der hessischen Literatur. In Marburg hätte man eher mit den Grimms gerechnet. Weshalb Büchner?

Rolf Michenfelder: Als die Idee der Zusammenarbeit aufkam, haben wir tatsächlich eine Zeit lang an die Grimms gedacht. Das ist dann sowohl an der fehlenden Finanzierung als auch an unserem Zugriff gescheitert. Zum Glück, würde ich sagen. Büchner ist einfach spannender.

Express: Büchner ist Dramatiker par excellence. Dennoch kein Danton, kein Lenz, kein Woyzeck ... Warum keine Inszenierung der Hauptwerke?

Anna Krauß: Naja, wenn wir ein Stück von Büchner hätten inszenieren wollen, dann müssten wir uns für eins entscheiden. Aber da waren wir uns sehr schnell einig, dass unser Interesse weiter gefasst war.
Natürlich haben uns seine Werke interessiert, und es ist klar, dass auch Danton, Lenz, Woyzeck ... ihren Platz in der Inszenierung gefunden haben. Aber ebenso wichtig waren für uns seine Biografie, die durch Agitation, Flucht und Exil unmittelbar von den Umbrüchen seiner Zeit durchwirkt war, seine zum großen Teil im Exil verfassten Briefe, seine kritische Weitsicht, mit der er Chancen und Scheitern der revolutionären Umtriebe seiner Zeit reflektierte, seine Liebe, sein Sterben und und und ...

Rolf Michenfelder: Ja und dann war es auch spannend zu untersuchen, wie sich die verschiedenen Büchner-Preisträger zu seinem Werk und zu seiner Person positionieren.
Wenn wir also sagen, wir spielen nicht Woyzeck, wir spielen nicht Dantons Tod, nicht Lenz, nicht Leonce und Lena, dann deshalb, weil sich diese Werke den Platz teilen müssen, weil sie sich reiben, ergänzen und widersprechen mit Briefen, Reden, Kommentaren.
Wir benutzen das alles, um etwas zu finden, was man vielleicht als Büchner-Sound oder Büchner-Kosmos bezeichnen könnte.

Express: "Ich schreibe im Fieber" ist eine Gemeinschaftsanstrengung der freien Marburger Theaterszene. Wer macht's?

Rolf Michenfelder: Die Mitwirkenden setzen sich zusammen aus Künstlern von german stage service, SchauspielerInnen von Theater GegenStand und playground east, jungen SchauspielerInnen der ACteasy-Theater-Gruppen der Blista und den Kindern und Jugendlichen, die bereits 2011 in dem erfolgreichen german stage service Stück "Dass nach dem Tag die Nacht kommt" zu sehen waren.

Express: War es schwierig, eine so heterogene Truppe zu bändigen?

Anna Krauß: Naja, zunächst einmal war es ja nicht unser Wunsch, die Gruppe zu bändigen, sondern ihre Differenzen für das Stück zu nutzen und ihre Energien auf die gemeinsame Sache zu konzentrieren. Das war natürlich eine Aufgabe, vor allem weil sich die Beteiligten zum Teil vorher nicht kannten und auch wir sie erstmal kennen lernen mussten. Da ist es manchmal schwierig, alle im Blick zu behalten und den verschiedenen Bedürfnissen und Fragen gerecht zu werden. Aber es ist schön zu sehen, wenn so eine Gruppe eine eigene Dynamik entwickelt, wenn sich die Teilnehmer gegenseitig anspornen und motivieren.

Rolf Michenfelder: Logistisch war es natürlich ein Horrortrip, 21 DarstellerInnen zu koordinieren, aber für eine Produktion kann eine solch extreme Heterogenität sehr fruchtbar sein, weil immer wieder Fragen gestellt werden, auf die wir selbst nie gekommen wären.

Ich schreibe im Fieber
Eine Suche nach Büchner
Premiere Mi 22.5. 20.00, Theater im G-Werk
Weitere Termine:
Do 23.5. – Sa 25.5. jeweils 20.00, So 26.4. 18.00
Mi 29.5. – Sa 1.6. jeweils 20.00, So 2.6. 18.00
Theater im G-Werk

Interview: Michael Arlt

Thema der Woche | 16. Mai 2013

Im Bus, Bad und auf dem Friedhof

Kunstinstallationen, Lesungen und Konzerte beim 4. WG-Festival am 24. und 25. Mai in Gießen – Foto: Alla Poppersoni

Eine Lesung im Linienbus, eine Talkrunde auf dem Friedhof, die Gruppe "Am leben forbei" zieht als Marching-Band durch die Stadt, es gibt Theaterstücke unter freiem Himmel in der Innenstadt: "Dieses Jahr treten wir mit dem WG-Festival mehr in den öffentlichen Raum", sagt der Gießener Musiker Robert Groos, der das Festival initiiert hat. Das Thema der vierten Ausgabe desKunst-Festivals heißt denn auch "Wem gehört die Stadt?"

"Das WG-Festival stellt allen beteiligten Künstlern, sowie den Besuchern erneut die Frage nach dem privatem und dem öffentlichen Raum. Der private Wohnraum wird geöffnet und in Form eines Ausstellungsrundganges mit Malerei, Performances, Skulpturen, Installationen und Konzerten zugänglich gemacht", erläutert Mitorganisator Florian Seel.

Da wird das Badezimmer einer Wohngemeinschaft zur Lesebühne, die Küche zum Ausstellungsraum und der Flur zum Konzertsaal. Seel: "Umgekehrt eignen wir uns den öffentlichen Raum an, indem wir ihn uns nehmen um Platz zu schaffen und ihn auch zu nutzen. Denn vor allem in Gießen, so fiel uns auf, mangelt es ganz deutlich an Plätzen. Plätze, die gar nicht viel mehr zu bieten haben sollten als puren Platz, auf dem man sich frei bewegen kann, den man nutzen kann."

Ein Großteil der Künstler und Musiker, die beim Festival mitmachen, kommt aus Gießen, Wetzlar oder auch Marburg. Im Programm am Freitag, 24. Mai und Samstag, 25. Mai, sind beispielsweise Garagen-Konzerte von der Gießener Band Telemetrie sowie der Marburger Formation Yeats. Die große Abschlussparty mit Johannes Volk ( GI / Dont Stop Records ) findet am Samstag in Anschluss an die letzten Konzerte im Ulenspiegel statt. Hier gibt es ebenfalls Videoinstallationen und Performances zu sehen.

Info
Weitere Informationen zum Festival gibt es am Mittwoch, 22. Mai, zwischen 12 und 16 Uhr an einem Infostand samt "Pop-Up-WG" auf dem Seltersweg. Dort gibt es neben den Festivalpässen auch eine kleinen faltbaren Broschüre, in der man neben den Terminen für Konzerte und Performances, Informationen zu den Künstlern, das Programm und den Ausstellungsrundgang auf einem Stadtplan eingetragen findet.
Infos im Internet samt sämtlicher Neuigkeiten zum Festivalprogramm unter www.wgfestival.de

Georg Kronenberg

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