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Thema der Woche | 6. März 2014

"Fünf Leben gleichzeitig"

Überlebenkünstler und Menschenrechtler: Rüdiger Nehberg am Sa 15.3. um 20.00 Uhr im Audimax Marburg – Foto: © Nehberg

EXPRESS: Ihre erste Expedition unternahmen Sie angeblich bereits im Alter von drei Jahren. Stimmt das?

Rüdiger Nehberg: Da wollte ich lediglich meine Oma am anderen Ende von Bielefeld besuchen. Die hatte immer so tolle selbst gemachte Trockenäpfel. Leider habe ich mich total verlaufen. Am anderen Tag fand mich die Polizei unter einem Rhododendronbusch am Ratsgymnasium und brachte mich nach Hause. So lernte ich schon früh, dass man Reisen anders planen muss.

EXPRESS: Rückblickend auf mehr als vier Jahrzehnte Entbehrung bei vollem Körpereinsatz: Haben sich die Strapazen gelohnt?

Rüdiger Nehberg: Ja, ich habe mindestens fünf Leben gleichzeitig gelebt und die höchste Erfüllung gefunden. Zunächst mit dem 20 Jahre währenden erfolgreichen Engagement gegen den drohenden Völkermord an den Yanomami-Indianern in Brasilien. Und jetzt und mit eigener Menschenrechtsorganisation TARGET gegen das Verbrechen Weibliche Genitalverstümmelung. Vor allem mit dem überwältigenden Erfolg, dass die höchsten Geistlichen des Islam auf unsere Initiative hin den Brauch als "Verbrechen gegen höchste Werte des Islam" geächtet haben.

EXPRESS: Wann wurde aus Abenteuerlust gesellschaftliches Engagement?

Rüdiger Nehberg: Als ich 1980 vom drohenden Völkermord am letzten frei lebenden Indianervolk Amerikas erfuhr, dann Augenzeuge der Dimension dieses Bürgerkrieges wurde und die Chancenlosigkeit der 12.000 Ureinwohner gegen die Armee von 65.000 Goldsuchern erlebte. Damals entdeckte ich meine Fähigkeiten zu helfen. Mein Wissen um Survival ermöglichte mir spektakuläre Aktionen. Zum Beispiel mit massivem Baumstamm über den Atlantik und einem unübersehbaren Appell an die brasilianische Regierung und die Weltöffentlichkeit auf dem Segel. Oder undercover als Goldsucher, zusammen mit einem Freund und mit versteckter Kamera. Ich nutzte die Kraft der Medien und hatte neben Filmen und Fotos über die Verbrechen die brasilianische Verfassung auf meiner Seite.
Als die Indianer 2000 einen akzeptablen Schutz erhielten, habe ich mich des Kampfes gegen das Verbrechen Weibliche Genitalverstümmelung angenommen. Weil 90% der Opfer Muslimas sind und weil der Brauch meist und falsch mit dem Koran gerechtfertigt wird, war meine und meiner Frau Annette Idee, die Kraft und Ethik des Islam zu nutzen. Auf früheren Reisen habe ich die Erfahrung gewonnen, dass man Islam, ebenso wenig wie das Christentum, nur auf ihre Verbrecher reduzieren kann. Ich habe mit beiden Weltreligionen auch starke positive Erfahrungen gesammelt. Ohne die heilige Gastfreundschaft des Islam wäre ich gar nicht mehr am Leben. Zweimal retteten mir meine muslimischen Begleiter bei Überfällen mit ihren Körpern als lebende Schilde das Leben. Und bei den Christen erleben wir es mit ihrer Nächstenliebe und dem sozialen Engagement. TARGET finanziert sich durch deren Spenden.

EXPRESS: Welche waren die beglückendsten Momente auf ihren Expeditionen, welche besonders frustrierend? Und wann war es am gefährlichsten?

Rüdiger Nehberg: Der beglückendste Moment war das historische Resultat, die Fatwa, unserer "Internationalen Gelehrtenkonferenz zum Verbot der Weiblichen Genitalverstümmelung" im November 2006 in der Azhar-Universität zu Kairo. Sie ist vergleichbar mit dem Vatikan der Katholiken. Die höchsten Religionsführer haben daran teilgenommen. Ägyptens Großmufti hatte dafür sogar die Schirmherrschaft übernommen. Wer hat je Vergleichbares erlebt?
Der schlimmste Moment war die Ermordung meines Freundes vor meinen Augen am Blauen Nil in Äthiopien. Wir waren zu dritt, die Angreifer fast ein Dutzend. Michael traf einer der Schüsse in den Kopf. Wir anderen zwei haben nur deshalb überlebt, weil wir uns augenblicklich zur Wehr setzen konnten. Unterm Hemd trugen wir auf jener Reise Tag und Nacht unseren Überlebensgürtel. Dazu gehörte ein Revolver. Bevor die Männer nachladen konnten – damals gab es dort noch keine Maschinenpistolen –, konnten wir zurückschießen. Millisekunden. Die Flucht dauerte fünf Tage. Dann haben wir eine Fahndung ausgelöst und die Täter gefangen.

EXPRESS: Die Welt ist kleiner geworden, manchmal auf Smartphone-Format geschrumpft. Wie sind die Zeiten für Überlebenskünstler im Jahre 2014?

Rüdiger Nehberg: Je mehr sich der Mensch abhängig macht von Hightech und dem verführerischen Luxus der Zivilisation, desto weiter entfernt er sich von den Urfertigkeiten, die eigentlich in jedem Lebewesen veranlagt sind. Über das Thema Survival, die Kunst zu überleben, habe ich mich befähigt, notfalls wochenlang ohne Hilfsmittel in der Natur klar zu kommen. Wie jedes frei lebende Tier. Was ich brauche, sind Steinbeil und Grabstock.

EXPRESS: Was halten Sie eigentlich von TV-Formaten wie dem Dschungelcamp?

Rüdiger Nehberg: Nix. Es wird von den Veranstaltern gern mit Survival in Verbindung gebracht. Davon ist es Lichtjahre entfernt. Es beleidigt das Thema Survival.

EXPRESS: Worauf dürfen sich die Besucher am 15.3. freuen?

Rüdiger Nehberg: Auf alles das, was ich hier angedeutet habe, belegt mit Bildern und Filmsequenzen. Nicht digital geschönt, sondern realistisch, Dokus, manchmal hart an der Grenze des Erträglichen.
Aber auch Heiteres. Es sind Anregungen für die Zuschauer, auch ihr Leben aufregender und erfüllender zu machen. Aber vor allem hat der Vortrag einen Unterhaltungswert. Lagerfeuergeschichten halt.

Rüdiger Nehberg
Lagerfeuergeschichten, empfohlen ab 12 Jahren, Sa 15.3. 20.00, Audimax Marburg
Verlosung
Wir verlosen drei Tickets für die Veranstaltung vom 15.3. um 20.00 Uhr im Audimax Marburg plus einen von Rüdiger Nehbergs Bestsellern "Überleben ums Verrecken", "Karawane der Hoffnung" und "Abenteuer Urwald": Fr 7.3. 16.00 Tel. 06421/684443.
Im Netz

Interview: Michael Arlt

Thema der Woche | 6. März 2014

Ein Friedhof zum Sterben

Dietrich Fabers neuer Streich "Tote Hunde beissen nicht" / Buch-Verlosung Foto: Stephan Feder

Kommissar Henning Bröhmann ist zurück: In seinem 3. Regional-Krimi lässt Autor Dietrich Faber den charismatisch-lustlosen Provinz-Polizisten aus Alsfeld in die Großstadt Berlin reisen: Kommissar Bröhmann hat den Dienst noch nie sehr geliebt. Und er hat die Nase ziemlich voll von der Provinz, den Kollegen, dem diktatorischen Vater. Mit dem reist er eines Tages nach Berlin: Beerdigung eines alten Kollegen. Dort passiert etwas Unerwartetes, auf dem Friedhof geraten Bröhmann Senior und Junior in eine Schießerei. Kurz darauf ist der Vater verschwunden. Henning geht der Sache nach und kommt einer alten Geschichte auf die Spur. Ein Mann verschwand vor Jahrzehnten hinter Gittern und schwor Rache; nun sterben in der Gegenwart Menschen – und Hunde! Vielleicht ist das Polizistenleben doch nicht so langweilig im Vogelsberg ...

Dietrich Faber wurde 1969 geboren. Bekannt wurde er als ein Teil des mehrfach preisgekrönten mittelhessischen Kabarett-Duos FaberhaftGuth. Bröhmanns erster Fall "Toter geht's nicht" war sein Debütroman und schaffte es auf Anhieb mehrere Wochen auf die Bestsellerliste. Seine Lesungen und Buchshows wurden zu Bühnenereignissen. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Mittelhessenmetropole Gießen. Seinen neuen Krimi stellt der Kabarettist und multimediale Entertainer, wie bereits von ihm gewohnt, nicht einfach mit einer Lesung sondern mit einer "Buchshow" vor. Wie beliebt die Shows sind, zeigt der Vorverkauf: Für die Premiere am 7.3. in Gießen ab es bei Redaktionsschluss nur noch Restkarten.

Termine von "Tote Hunde beissen nicht – Die Show zum Buch"
in der Region:
Fr 7.3.2014, 20 Uhr – Premiere Gießen, Kongresshalle (Restkarten an der Abendkasse)
Sa 15.3.2014, 20 Uhr – Marburg, Waggonhalle
Sa 29.03.2014, 20 Uhr – Butzbach, Bürgerhaus
Verlosung:
Wir verlosen auf der Express-Facebook-Seite 3 x Fabers neuestes Werk "Tote Hunde beissen nicht" (288 Seiten ISBN: 978-3-499-26760-4) in der gedruckten Ausgabe sowie 3 x als Hörbuch.
Wie man an der Verlosung teilnimmt, steht auf unserer Facebook-Seite.

kro/pe

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