Mittwoch, 16. Oktober 2024
Thema der Woche | 18. Juni 2015

Unentschieden

Noch kein neuer Oberbürgermeister – Stichwahl zwischen Thomas Spies (SPD) und Dirk Bamberger (CDU) am 28.6. – Foto: Heiko Krause

Ein herrlicher Frühsommertag. Kein Grund, nicht aus der Wohnung zu gehen und ins Wahllokal zu spazieren. Oder doch? Weit mehr als die Hälfte der 56.898 Marburger Wahlberechtigten zogen es offenbar vor, den vergangenen Sonntag nach Gusto zu verbringen und ihre Stimme zur direkten Oberbürgermeisterwahl lieber verfallen zu lassen. So kam denn bei den vorgezogenen Neuwahlen – OB Egon Vaupel (SPD) wird sein Amt aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig beenden – letztlich eine schwache Beteiligung von historisch schlappen 42,9 Prozent zustande (2011: 50,6). Und einen richtigen Sieger gab der Urnengang vom 14.6. auch nicht her. Keiner der angetretenen sechs Bewerber konnte die notwendige absolute Mehrheit der gültigen Stimmen auf sich vereinen. Infolgedessen wird es am 28.6. zur Stichwahl kommen zwischen den bestplazierten Bewerbern Thomas Spies (SPD) und Dirk Bamberger (CDU). Ob das so mancher Nichtwähler von vornherein ins Kalkül gezogen hat? Geschenkt. Here are the Results of the Marburg Vote.

Nach Auszählung der 83 Wahlbezirke kam Sozialdemokrat Thomas Spies im ersten Wahlgang auf 42,8 Prozent der Stimmen (10.397). CDU-Mann Dirk Bamberger konnte 35,2 Prozent für sich gewinnen (8.537). Den dritten Rang belegt Jan Schalauske von der Marburger Linken mit 9,8 Prozent (2.379). Die Kandidatin von Bündnis 90/Die Grünen Elke Neuwohner brachte es auf 9,7 Prozent (2.367). Marius Beckmann errang für Die Partei 2,2 Prozent (545), und auf den parteilosen Rainer Wiegand entfielen 0,2 Prozent der Stimmen (60).

35,2 Prozent aus dem Stand: CDU-Mann Dirk Bamberger – Foto: Heiko Krause

Wenn es schon nicht zum mancherorts prognostizierten Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU- und SPD-Kandidat kam, so hat Thomas Spies auch ohne Amtsinhaber-Bonus das beste Ergebnis einfahren können. Mit 42,8 Prozent (Egon Vaupel 2011: 59,3 Prozent) positioniert sich der sozial­demo­kratische Routinier in eine günstige Ausgangsstellung für die anstehende Stichwahl gegen Polit-Neuling Dirk Bamberger. "Das ist ein sehr starkes Ergebnis und das Resultat des motivierten Einsatzes vieler Unter­stützer­innen und Unter­stützer, nicht nur innerhalb der SPD." Christdemokrat Bamberger, vom bürgerlichen Lager FDP und MBL unterstützt, konnte mit 35,2 aus dem Stand heraus ein respektables Ergebnis einfahren (Wieland Stötzel 2011 für die CDU: 18 Prozent). "Wir haben unser Ziel für den ersten Wahlgang, nämlich das 'bürgerliche' Wählerpotenzial plus x voll erreicht. Darüber freue ich mich sehr", so seine Zwischenbilanz.

Drittstärkste Kraft mit 9,8 Prozent: Jan Schalauske von der Marburger Linken – Foto: Heiko Krause

Für eine Überraschung nicht nur bei Dirk Bamberger sorgte das Ergebnis von Jan Schalauske von der Marburger Linken, der mit 9,8 Prozent noch vor den Grünen rangiert und das 2011er-Ergebnis von Henning Köster (4,4 Prozent) mehr als verdoppelte: "Knapp drittstärkste Kraft. Das Resultat gibt kräftigen Rückenwind für die weitere politische Arbeit", formuliert Schalauske. Bedauerlich sei die geringe Wahlbeteiligung. Hier müssten alle politischen Gruppierungen Überzeugungsarbeit leisten. Eine repräsentative Demokratie, der die Wählerinnen und Wählern abhanden kommen, verlöre an Legitimation.

Einige Enttäuschung auf Seiten der Marburger Grünen. "Es ist kein schönes Gefühl nach einem anstrengenden Wahlkampf seine Ziele nicht erreicht zu haben", lautet des Resümee von Kandidatin Elke Neuwohner. Mit 9,7 Prozent gelang ihr nicht der Sprung über die Marke, die Parteikollege Franz Kahle bei den Oberbürgermeisterwahlen 2011 mit 12,4 Prozent vorlegte.

Übrigens: Der Wahlberechtigungsschein erhält seine Gültigkeit, wer keinen mehr hat, der kann bei Vorlage seines gültigen Personalausweises trotzdem wählen gehen. Auch wenn's wenig spannend wird am 28.6.

Michael Arlt

Thema der Woche | 18. Juni 2015

Klare Sache

OB Dietlind Grabe-Bolz und Landrätin Anita Schneider verteidigen ihre Chefsessel – Foto: KUK

Das war einen klare Angelegenheit, Stichwahlen braucht es nicht: Gießens Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz hat ihren Posten bei der Direktwahl am Sonntag souverän verteidigt. Die 57-jährige Sozialdemokratin erhielt insgesamt 53,6 Prozent, in drei Wahlkreisen lag sie über 70 und in neun Wahlkreisen über 60 Prozent. SPD-Landrätin Anita Schneider geht sogar mit einem noch besseren Ergebnis in ihre zweite Amtszeit. Die 53-Jährige erhielt 62,1 Prozent der Stimmen. Die alte und neue Landrätin lag in allen Ortschaften im Kreis vorn. Und so sind die Sozialdemokraten die großen Gewinner bei den Wahlen in Stadt und Kreis. SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel, der auch über die Wahlausgänge in Wetzlar – hier stellt die SPD wieder den Rathauschef – und Marburg – Kandidat Thomas Spies lag im ersten Wahlgang deutlich vorne – überaus zufrieden sein kann, zückte denn auch bestens gelaunt am Wahlabend sein Handy zum Porträtfoto der Siegerinnen.

Für die Christdemokraten, die mit frischem Personal angetreten waren, gab es dagegen nichts zu holen: Anja Helmchen, CDU-Herausforderin um den Chefsessel im Gießener Rathaus, erhielt 36,2 Prozent. Gregor Verhoff, der für die CDU als Landratskandidat angetreten war kam auf 32,1 Prozent.

Ralf Praschek, für die Piraten als OB-Kandidat in Gießen angetreten, landete bei 5,5 Prozent. Der parteilose OB-Kandidat Wolfgang Höll erhielt 4,7 Prozent. Sascha Endlicher von den Piraten, dritter im Kampf um den Landratsposten, erhielt 5,8 Prozent.

Eine klare – und sehr bescheidene Angelegenheit war aber leider auch die Wahlbeteiligung: Die lag bei gerade mal 30,4 Prozent in Stadt und Kreis. Kurz: Mehr als zwei Drittel der Wähler interessiert es offenbar nicht, von wem sie in den nächsten sechs Jahren in Stadt und Kreis regiert werden. Und genau hier liegt eine große Herausforderung für die Siegerinnen des Abends: Wie kann Politik besser vermittelt werden? Wie kann den Bürgern Lust am Mitgestalten ihrer Kommune gemacht werden?

Bürgerbeteiligung ist seit langem eines der Kernthemen von Gießens frisch wiedergewählter Oberbürgermeisterin. Unter anderem mit Bürgerbefragungen, Informationsveranstaltungen, Agendagruppen oder einem Mängelmelder versucht die Stadt die Beteiligung der Bürger an den Entscheidungsprozessen weiter auszubauen.

Geholfen in Bezug auf die Wahlbeteiligung hat das ganz offensichtlich nicht. Da muss der Lernprozess, von dem die OB in ihrem Wahlprogramm spricht, weitergehen. Die richtigen Antworten fehlen noch.

Georg Kronenberg

Tipp des Tages

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